Wie beeinflusst die Corona-Krise die staatlichen Unternehmen und das Staatsvermögen?

Ein realistisches Bild über die Höhe der Einnahmenausfälle und der zusätzlichen Kosten können wir uns wohl erst in einem bis anderthalb Monaten machen. Gestützt auf die Ist-Daten des ersten Quartals werden wir die Geschäftspläne für 2020 überarbeiten. Die Zukunft mancher Staatsbetriebe wird auf eine vollkommen neue Basis gestellt, wobei wir neben den Problemen auch die Chancen erkennen wollen, der Digitalisierung nicht länger aus dem Weg zu gehen und die Automatisierung zu beschleunigen. Die notgedrungene Anwendung des Homeoffice wird neue Dimensionen der Arbeitsorganisation eröffnen.


Die Krise trifft die Versorgungsunternehmen besonders hart.

Die Post, die Staatsbahnen MÁV oder die Volán-Busgesellschaften, Energieversorger, Wasserwerke und Müllabfuhr müssen weiter so agieren, als wäre nichts geschehen. Oder exakter formuliert dürfen die Menschen durchaus wahrnehmen, dass diese Unternehmen alles Erdenkliche für die Gesundheit ihrer Kunden und der eigenen Mitarbeiter tun.

Der internationale Postverkehr stößt leider zunehmend auf Hindernisse. Auch die Transportkosten sind in die Höhe geschossen – in europäischer Relation um 150-180 Prozent –, weshalb wir unsere Tarife überprüfen müssen. Busse und Züge waren plötzlich nur noch zu 10-20 Prozent ausgelastet, also wurde der Fahrplan umgestellt. Mitarbeiter des Gesundheitswesens dürfen den Nah- und Fernverkehr übrigens kostenlos nutzen.

Der Staat beschäftigt immer noch mehr als eine Million Menschen, die ja nicht alle von daheim arbeiten können.

Wo das möglich ist, wurde natürlich Homeoffice eingeführt. Bei systemkritischen Unternehmen wie dem Übertragungsnetzbetreiber Mavir oder dem Atomkraftwerk Paks muss der fortlaufende Betrieb logischerweise an Ort und Stelle gewährleistet werden. Diese beiden Gesellschaften haben für wirklich unverzichtbare Mitarbeiter besondere Räumlichkeiten hergerichtet, die dem Leben in den eigenen vier Wänden nahekommen. Dabei geht es nicht nur um die Rundumversorgung dieser Mitarbeiter, sondern gleichzeitig um den Schutz ihrer Gesundheit. Die sichere Energieversorgung des Landes muss auch dann gewährleistet sein, wenn die Corona-Epidemie massenhafte Ausbrüche verzeichnet.

Die Orbán-Regierung hat sich die Mehrung des Staatsvermögens auf die Fahnen geschrieben. Wo steht sie in diesem Kampf?

Das Staatsvermögen erreicht derzeit nahezu 18.000 Mrd. Forint (knapp 50 Mrd. Euro). Seit 2010 konnten wir dieses Vermögen um 6.000 Mrd. Forint mehren. Es gibt keine Wachstumslimits, denn es handelt sich hierbei nicht um ein statisches System: Einzelne Elemente, die für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben weniger relevant sind, scheiden mit der Zeit aus, die Mehrung strategischer Elemente hingegen ist eine Zielstellung von Dauerbelang. Die Corona-Krise hat globale Empfindlichkeiten aufgedeckt und unseren Kurs bestätigt, kritische Infrastrukturen lieber in nationales Eigentum zu nehmen.

Gibt es Überlegungen, dass der Staat im Flugreisegeschäft interveniert oder gar Akquisitionen ins Auge fasst?

Von solchen Plänen weiß ich nichts. Freilich zeigt die Krise die Schwachstellen der Wertschöpfungsketten auf. Der Schock beweist: Die Nationen können in erster Linie nur auf sich selbst zählen. Im Interesse der Versorgungssicherheit ist es deshalb wichtig, kürzere Wege zu finden. In diesem Sinne wäre die Übernahme angeschlagener Gesellschaften, die eine kritische Position in der Wertschöpfung einnehmen, natürlich überlegenswert.

In der Krise wächst die Rolle staatlicher Entwicklungsbanken. Reicht deren Kapital, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen?

Es handelt sich in der Tat um eine klassische Entwicklungsaufgabe. Die MFB-Gruppe dürfte imstande sein, mit dem abgestimmten, zweckorientierten Einsatz von Krediten, Kapital und Garantien beim Neustart der Wirtschaft behilflich zu sein. Die staatliche Entwicklungsbank hält sich genauso wie alle anderen Geldinstitute an das Moratorium für Kreditschulden. Weitere Maßnahmen befinden sich in der von mir geleiteten Aktionsgruppe noch in der Abstimmungsphase.

Aus dem Ungarischen von Rainer Ackermann.

Das hier gekürzt wiedergegebene Interview erschien zuerst im konservativen Wochenmagazin Figyelő.

Konversation

WEITERE AKTUELLE BEITRÄGE
Regierungsbeschlüsse

Ende für Transitzonen

Geschrieben von BZ heute

Am kommenden Dienstag reicht die Regierung jene Vorlage im Parlament ein, mit der sie um die…

Im Gespräch mit Columbo, Frontmann der Band Irie Maffia

Musik in der Quarantänezeit

Geschrieben von Péter Réti

Vor 15 Jahren wurde die ungarische Band Irie Maffia gegründet. Die Budapester Zeitung sprach mit…

Brettspielverleih „Játszóház Projekt”

Lasset die Spiele beginnen!

Geschrieben von Elisabeth Katalin Grabow

Gezwungenermaßen verbringen viele Menschen heute mehr Zeit daheim. Da wird die Suche nach neuen…