Wir bei BASF sind zusammen mit dem Europäischen Runden Tisch Industrieller (ERT) allerdings optimistisch, die globalen Herausforderungen in Opportunitäten verwandeln zu können und damit für Europa eine tragende Rolle zurückzugewinnen. Die unlängst erschienene Publikation Turning Global Challenges into Opportunities — A Chance for Europe to Lead skizziert die Komponenten, die in einer neuen Industriestrategie der EU enthalten sein müssen. Wie der Vorstandsvorsitzender von BASF, Martin Brudermüller, ausführte, muss, „nach mehreren Versuchen, die Industriepolitik auf europäischer Ebene in den letzten zehn Jahren wiederzubeleben, die neue Industriestrategie wirklich einen Wandel mit sich bringen. Die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie ist der absolute Schlüssel zu einem einflussreichen und souveränen Europa. Der ERT-Benchmarking-Bericht für Wettbewerbsfähigkeit, dokumentiert jedoch, wie sehr Europa in verschiedenen Metriken hinter anderen Regionen zurückbleibt.“


Was getan werden muss

Zu allererst müssen die Menschen in Europa verstehen, dass Partikularismus keine Lösung darstellt. Die Politik ist hier gefordert, die Werte und Vorteile einer starken, offenen europäischen Gemeinschaft viel besser zu erklären als bisher. Nur eine starke europäische Gemeinschaft vermag im internationalen Wettbewerb zu bestehen und die globalen Herausforderungen der heutigen Zeit zu bewältigen.

Zum zweiten muss eine neue Industriestrategie Europa wieder zur führenden Innovationsmacht machen. Viele Trends wurden zu spät erkannt beziehungsweise es wurde zu spät reagiert. Nehmen wir als Beispiel die Digitalisierung, bei welcher Europa deutlich nicht an vorderster Front mitspielt. Eine wesentliche Änderung unserer Einstellung zu Innovationen und der dazugehörigen Regularien ist dringend notwendig.

Diese neue Strategie muss es zum Beispiel einfacher machen, Innovationen auf den Markt zu bringen. „Sandboxing“, das heisst neue Innovationen unter partieller Ausnahme bestehender Regularien auf dem Markt zu erproben, muss möglich sein. Insbesondere sollten neue Technologien, welche die Wettbewerbsfähigkeit Europas erhöhen oder Lösungen für globale Probleme wie den Klimawandel darstellen können, nicht schon gedanklich reguliert werden.


Wo kann Europa eine führende Rolle einnehmen?

Nehmen wir Europas Green Deal, ein ambitioniertes Programm, das zum Ziel hat, den Klima- und Umweltschutz in Europa voranzubringen. Dazu sind bahnbrechende Innovationen notwendig, um neue Technologien zu entwickeln, mit denen der CO2-Ausstoß minimiert werden kann. Dies ist möglich, muss aber immer in Hinblick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie von den gesetzlichen Rahmenbedingungen unterstützt werden.

Wir bei BASF haben bereits in den 1990er Jahren damit begonnen, Treibhausgasemissionen zu reduzieren – bis heute haben wir bereits eine spezifische Reduktion um etwa 50 Prozent erreicht. Darüberhinaus haben wir uns zum Ziel gesetzt, unser Wachstum bis 2030 CO2-neutral zu gestalten. Dazu muss in erneuerbare Energieformen und neue Technologien investiert werden und diese müssen global wettbewerbsfähig sein. Daher ist eine globale und keine regionale Verpreisung von CO2 von grundlegender Bedeutung.


Kreislaufwirtschaft (Circular Economy)

Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Nur wenige Staaten der Welt haben ein brauchbares System zur Sammlung von Wertstoffen aufgebaut. Hier ist Europa im Vergleich zum Rest der Welt noch recht gut positioniert. In Europa werden jährlich etwa 60 Millionen Tonnen Kunststoffe verwendet, davon werden etwa 50 Prozent gesammelt, aber nur 15 Prozent in den Kreislauf zurückgeführt. BASF treibt deshalb seit einiger Zeit ein Projekt für chemisches Recycling voran, um neue Wege in der Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffabfällen als Rohstoffquelle zu erschließen. Unser langfristiges Ziel ist es, unseren Kunden Produkte aus geschlossenen Wertstoffkreisläufen anbieten zu können.

Bei diesen wichtigen Themen, dem Klimaschutz und der Kreislaufwirtschaft, insgesamt jedoch in allen Feldern der Innovation sollte der europäische Green Deal mit einer ambitionierten Industriestrategie kombiniert werden. Diese muss EU-weite Richtlinien so gestalten, dass wir einen Übergang zur Klimaneutralität und zur Kreislaufwirtschaft wettbewerbsfähig vollziehen können.


Wettbewerbsfähige Grundlagen für Investitionen

Derzeit machen in Europa Steuern und Abgaben durchschnittlich etwa 40 Prozent des Elektrizitätspreises aus und halten damit die Energiekosten auf einem hohen Niveau. Elektrizität ist in den USA und Kanada um etwa 30 Prozent günstiger als in Europa. Eine europaweit abgestimmte Energiepolitik muss deshalb eine wettbewerbsfähige Grundlage für die Investition in erneuerbare Energien bereithalten. Wir benötigen ebenfalls einen europaweiten Rahmen, welcher erlaubt, wettbewerbsfähig in Kreislaufwirtschaftsmodelle zu investieren.

Europa hat nur als Einheit die Chance, die globalen Herausforderungen zu lösen. Partikularismus kann hier keine Lösung sein. Alleine die notwendige Unterstützung modernster Forschung und Entwicklung zu diesen Themen ist unerlässlich und kann von einzelnen Staaten nicht aufgebracht werden. Die Kommission sollte ehrgeizige Finanzmittel für strategische Forschungs- und Innovationsprojekte sowie für öffentlich-private Partnerschaften garantieren. Dazu gehören mindestens 120 Milliarden Euro für das neue Horizon Europe-Programm sowie die Unterstützung von Innovationsökosystemen. Jeder in Horizon Europe investierte Euro wird dank des Signaleffekts zusätzliche Investitionen aus der Wirtschaft auslösen.

Auch bei der Wettbewerbspolitik zählen die Einheit und Größe von Europa. Die EU-Wettbewerbspolitik sollte dringend modernisiert werden und dabei globale Marktbedingungen und -dynamiken einbeziehen.


Mutige Investitionen in Aus- und Weiterbildung

Insgesamt muss die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit das übergreifende Prinzip sein. Trotz leicht gefallener Lohnstückkosten in Europa während der vergangenen 15 Jahre (-1 %), haben beispielsweise die USA (-5 %), Südkorea (-6 %) und Mexiko (-12 %) deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Dies gelang dank mutiger Investitionen in Aus- und Weiterbildung und einem erhöhten Forschungsaufkommen. So investiert die EU nur etwa 2 % des GDP in Forschung und Entwicklung, während der OECD-Durchschnitt bei 2,4 % liegt und Südkorea mit 4,6 % an der Spitze rangiert.

Wir stehen heute in Europa an einer Weggabelung. Wir müssen uns für Innovation entscheiden und somit für Wohlstand durch Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft und nachhaltiges Wachstum. Ein Fokus auf Kleinstaaterei und Partikularismus kann nur in die Bedeutungslosigkeit führen. Wir haben mit einer neuen Industriestrategie für Europa jetzt die Möglichkeit, einen Kurs zu setzen, mit dem wir das volle Potenzial der digitalen Transformation freisetzen, freien und fairen Handel fördern, Investitionen anregen und Nachhaltigkeit wettbewerbsfähig vorantreiben können.

Es ist Zeit, Europa neu zu erfinden!


Der vorliegende Beitrag entstand auf der Grundlage von Diskussionsbeiträgen, die Thomas Narbeshuber am 31. Oktober bei der von Netzwerk Digital und United Europe organisierten Konferenz „The future ‚Made in CEE‘ “ in Budapest geäußert hat.

Weiterführende Dokumente:

• Turning Global Challenges into Opportunities – A Chance for Europe to Lead

• ERT-Benchmarking-Bericht für Wettbewerbsfähigkeit 2019

Beide Dokumente sind als PDF-Download erhältlich auf ert.eu.

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