Wichtig ist vor allem, und darüber besteht heute kein Zweifel mehr, dass die Menschheit an sich weniger Müll produzieren muss und generell nicht mehr so viel konsumieren darf. Zwar werden laut des Plastikatlas 2019, eine gemeinsame Analyse des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und der Heinrich-Böll-Stiftung, rund 45 Prozent des Plastikmülls gesammelt, doch nur 16 Prozent davon werden tatsächlich wiederverwertet. Der Rest wird entweder verbrannt oder ins Ausland verschifft. Weltweit gesehen fällt die Bilanz sogar noch schlechter aus, da sind es nur rund zehn Prozent, die den Weg zurück in den Kreislauf schaffen.


Problem nunmehr vor eigener Haustür

Einer der wohl am häufigsten verbreiteten Fehlinformationen ist, dass Plastik recycelbar ist. Denn dies stimmt leider nur teilweise. So können zwar PET-Flaschen beispielsweise problemlos wiederverwertet werden, kleinere Plastikteile, Folien und vor allem stark eingefärbtes Plastik sind hingegen nicht oder nur sehr schwer recycelbar. Wer sich allerdings bisher die Mühe gemacht hat und seine Joghurtbecher nach dem Löffeln noch pflichtbewusst ausgespült hat, dem sei hiermit mitgeteilt, dass dies nicht nötig ist. Moderne Sortieranlagen können mit „löffelreinen“ Verpackungen durchaus umgehen.

Doch was geschieht mit den Verpackungen, die nicht recycelt werden? Ein nicht unbedeutender Teil wird entweder in die „thermischen Abfallbehandlung“, sprich Müllverbrennung, gegeben oder wird nach Fernost verschifft, bis 2018 allen voran nach China. Doch ausgerechnet China beschloss 2018 dem einen Riegel vorzuschieben, da das Land im eigenen und importierten Plastikmüll zu ersticken droht. Seitdem ist ein wichtiger Müllexportpartner Europas weggebrochen. Das Problem, das bisher nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“ gehandhabt wurde, ist nun wieder da. Wohl auch deswegen die plötzliche Entschlossenheit der EU, nun doch tätig zu werden.

Ein erster Versuch in diese Richtung war seinerzeit das sogenannte oxo-abbaubare Plastik. Dieses durch UV-Licht und Sauerstoff oxidierende Plastik wurde gar als „Bioplastik“ angepriesen, eben aufgrund des scheinbar einfachen Zerfallsprozesses. Dies wird erreicht, indem dem PE- oder POF-Grundstoff beispielsweise Eisen beigemischt wird. Eisen rostet, somit zerfällt damit auch der Kunststoff. Dies war die Grundidee. Heute weiß man jedoch, dass dieser Zerfallsprozess nicht etwa in biologisch unbedenkliche Stoffe geschieht, sondern in sogenanntes Mikroplastik, eine der größten Gefahren für maritimes Leben und den Wasserkreislauf – und damit auch für den Menschen. Dieser Erkenntnis trug der Rat der Europäischen Union in seinem Beschluss zur Verminderung von Einwegkunststoffprodukten Rechnung. Denn neben des Verbots konkreter Artikel sind nunmehr auch jegliche Produkte aus oxo-abbaubaren Kunststoffen verboten.


Unklare Begriffe

Etwas, was sich insbesondere in der Diskussion um oxo-abbaubares Plastik herausgestellt hat, ist, dass viele Begriffe viel besser klingen als was sie tatsächlich bedeuten. So erscheint „biologisch abbaubar“ erst einmal wie eine gute Alternative und mag gar den einen oder anderen dazu verleiten, seine so gekennzeichnete Produkte auf den Kompost zu werfen. Doch weit gefehlt!

Laut den OECD 301 Testbestimmungen ist der Begriff „biologisch abbaubar“ relativ weit gefasst und wird somit ausgesprochen gern gut sichtbar auf Verpackungen aller Art platziert. Tatsächlich bedeutet der Begriff jedoch nichts weiter, als dass ein gegebenes Produkt durch Lebewesen oder deren Enzyme (im besten Fall bis zu anorganischen Stoffen) zersetzt werden kann. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass eben dieser Prozess mit solchen Nebenprodukten einhergehen kann, die gar noch schädlicher sein können, als das Ausgangsprodukt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Verpackung nicht in die richtige Müllanlage gelangt. Dann können beim Abbauprozess sogar giftige Chemikalien freigesetzt werden.

Ein Begriff, der dank der EU jedoch absolut klar definiert ist, ist „kompostierbar“. So darf nur ein Produkt oder eine Verpackung genannt werden, die binnen sechs Monaten zu mindestens 90 Prozent unter aeroben Bedingungen abgebaut ist; dies regelt die DIN ISO EN 13432 Norm.


Plastikmüll vermeiden, ist die einzig wirkliche Alternative

Selbst wenn es immer neue Wege des Re- und Downcycling gibt, der einzige Weg, um dem Problem des Plastikmülls wirklich Herr zu werden, ist, auf Plastik zu verzichten. (Downcycling beschreibt die qualitativ niedrig wertigere Wiederverwendung von Plastik, beispielsweise wird aus Verpackungsmaterial Bekleidung, da die Stärke des Plastik im Prozess der Wiederverwertung an Stabilität einbüßt. Dementsprechend können gewisse Kunststoffe bei weitem nicht unendlich wiederverwertet werden.) Der erste Schritt in diese Richtung wird ab 2021 sein, dass Einwegbesteck, Wattestäbchen, Strohhalme und Rührstäbchen aus Kunststoff aus dem Verkehr gezogen werden. Dies mag im ersten Moment vor allem für Hospitality-Firmen oder auch für passionierte Grillparty-Gastgeber ein Schock sein, jedoch hat die EU nur solche Produkte auf die Verbotsliste gesetzt, für die es mittlerweile nachhaltig sinnvolle Alternativen gibt.

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Strohhalme aus Stroh – das ist das erste Produkt, mit dem das ungarische Start-up ORENDA Eco dem Plastikproblem entgegentritt. (Fotos: Haystraw-Orange)


Eine Firma, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, eben solche Alternativen anzubieten, ist ORENDA Eco und ihr Event-Partner Damn Plastic.

Das ungarische Start-up ORENDA Eco hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Welt in kleinen Schritten zu verändern. Der erste, und sich anbietende Schritt war, Strohhalme anzubieten, die eben keine massive Belastung für die Umwelt darstellen – und trotzdem bequem zu benutzen sind. „Seien wir ehrlich“, erklärt Kata, Mitbegründerin von ORENDA Eco, „es gibt heute in Küche und Badezimmer nichts mehr, was wir nicht auch mit ökologisch sinnvollen Alternativen ersetzen können.“ Das offensichtlichste – und damit auch erste – Produkt, welches die Firma nun auf den Markt gebracht hat, sind Strohhalme – aus Stroh. „Wenn man bedenkt, wo das Wort Strohhalm eigentlich herkommt, fragt man sich, warum wir jemals etwas anderes benutzt haben!“ Denn schon vor Tausenden von Jahren tranken Sumerer ihr Bier durch getrocknete Weizenhalme. Seitdem hat sich das Trinkutensiel in Außensehen und Form stark verändert – und wurde nun in seiner verbreitetsten Form (Kunststoff) verboten. Kein Wunder also, dass es einer grünen Alternative bedarf.
Doch wer Plastik noch weiter umgehen möchte, der ist beim ersten offiziellen Verkaufspartner von ORENDA Eco genau richtig. Damn Plastic heißt der Shop mit angeschlossener Eventagentur, in dem es alles gibt, was man zum kunststofffreien Leben braucht. (Mehr dazu im folgenden Kurzinterview mit Gründerin Victoria Neuhofer.). Plastikfreies Leben ist heute also einfacher und nötiger denn je, und auch wenn die Zeit für Neujahrsbeschlüsse schon vorbei ist, macht der Verzicht auf Kunststoff auch jetzt Sinn



Victoria Neuhofer ist das Gesicht und die Seele hinter Damn Plastic.

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Kurzinterview mit Victoria Neuhofer, Gründerin von Damn Plastic

„Die Kosten verlagern sich nur“


Was macht eine öko-freundliche Eventagentur?

Damn Plastic hat zwei Sparten, einerseits die Eventagentur, andererseits eine Franchise-Kette, mit der wir als kunststofffreier Laden in kurzer Zeit in jeder Hauptstraße vertreten sein wollen.
Als Eventagentur können wir einfach alles an anfallenden Aufgaben erledigen, was anfällt. Also von kunststoffreien Giveaways für Messen – seien wir ehrlich, die meisten kleinen Geschenke dort sind unnötig und machen nur Kosten und Müll – über Kundengeschenke oder komplette Events. Der Idealfall bei einem Musikfestival beispielsweise sieht so aus, dass ich die Bestellliste des vergangenen Jahres bekomme und sehe, was da alles an Einwegplastik gekauft wurde. Hier findet dann eine Art „Auditing“ statt, weil ich sowohl darüber nachdenke, welche Produkte ich durch meine Zulieferer mit biologisch nachhaltigen Produkten ersetzen kann, aber gleichzeitig auch darüber, welche Dinge vielleicht gar nicht notwendig sind. Eintrittsbändchen beispielsweise sind oft aus Kunststoff, können aber auch aus recyceltem Material hergestellt werden, die Chiptags sind dabei bei uns aus Holz. Teller, Besteck, Becher – all das kann ich aus natürlichen, kompostierbaren Materialien anbieten. Mehr noch, sogar die Bekleidung des Personals können wir aus nachhaltig hergestellten Stoffen anbieten.


Was sind die interessantesten Produktalternativen?
Ich glaube, becherlose Getränke. Ich arbeite mit zero-waste-Caterern, die sowohl Eiscreme als auch Cocktails in essbarer Hülle anbieten. Das Eis kommt dabei häppchenweise in einer veganen Hülle daher, ein Bissen und keinerlei Müll. Getränke können in geschmacksneutralen Seetangblasen serviert werden, wo dann ebenfalls der Becher oder das Glas wegfällt.


Wie schwer ist es, auf zero-waste umzusteigen?

Das ist eine Frage, die ich oft gestellt bekomme. Ich möchte die Events so veranstalten, dass der Mensch sich nicht ändern muss, um zero-waste beziehungsweise kunststofffrei zu werden. Bei solchen Events wird eher auf eine lustige Art und Weise darauf aufmerksam gemacht, wie er das auch kann. Beispielsweise mit einem Weizenhalm, der als Strohhalm dient. So werden sich viele fragen: „Weshalb trinke ich jetzt gerade aus einem Weizenhalm?“ Und schon ist der „awareness“ Punkt da und das Gespräch und der Austausch gehen los.
Wenn man Menschen keine Möglichkeit mehr gibt, auf einer Party „Mist zu machen“ – dann ist es doch keine Frage, ob es schwer ist. Damn Plastic muss das Event so gestalten, dass am Ende keiner merkt, dass eigentlich alles anders war.


Wie viel teurer wird es, wenn man ökologisch nachhaltige Alternativen wählt?

Niemand hat gesagt, dass die Weltrettung billig wird. Erst haben wir alles getan, dass alles billiger, billiger, billiger und ungesünder wird – und jetzt wollen wir auch noch billig davonkommen. Das ist unserer Mutter Erde gegenüber einfach nicht fair.
Im Prinzip haben wir ein Gleichgewicht. Mehrwegsysteme, die wir verwenden, zum Beispiel Schalen für das Essen kosten pro Transaktion 24 Cent – das ist weniger als der Preis einer Papierschüssel mit Plastikdeckel, aber auch, wenn alles aufgegessen wird, hat man weniger zum Entsorgen, was am Ende weniger Abfallkosten bedeutet. Insofern verlagern sich die Kosten nur, sie steigen nicht wirklich.



Wer kann sich mit einem Event an Damn Plastic wenden?

Jeder. Wobei Damn Plastic nicht als reine Agentur zu sehen ist. Oft bin ich Bindeglied zu anderen Agenturen, Eventplanern und Eventmanagern, die ihren Job „grüner“ machen wollen. Über die Jahre habe ich so einen Wissenspool und ein Netzwerk aufgebaut. Auch die Erfahrung bezüglich Produktion und Unternehmensführung (ich komme aus einer Unternehmerfamilie) helfen viel. Ich weiß sehr wohl, was wirtschaftlich Sinn macht, und auch was technisch machbar ist. Ich muss sagen, dass die Summe meiner Erfahrungen und meine technische und wirtschaftliche Ausbildung mich dazu gebracht haben das Ganze überhaupt zu starten. Ich habe zu viel gesehen, was auf der Welt vor sich geht, als dass es mich kalt lassen könnte.
Ein Wort zum Ende: Es ist mir wichtig, dass man das weiß: Kunststoff ist nicht unser Feind, unsere Einstellung dazu ist es.
Plastik ist einer der besten Stoffe, die der Mensch je erfunden hat. Aber wenn wir nicht in der Lage sind, damit verantwortungsvoll umzugehen, dann muss man die Möglichkeit der Verwendung entfernen – bevor wir noch mehr schaden anrichten.


Mehr Infos zum kunststofffreien Leben:
https://damnplastic.com/


www.facebook.com/orendaeco

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