In Ihrem Vortrag kamen Sie auch auf die Energiepolitik zu sprechen. Wie bewerten Sie speziell die deutsche Energiepolitik?

Wir brauchen so schnell wie möglich eine entsprechende Infrastruktur. Der größte Teil der Energie wird in Deutschland im Süden nachgefragt, regenerative Energie wird jedoch zunehmend im Norden produziert, in erster Linie in Offshore-Windparks. Wir tun uns in den letzten Jahren sehr schwer damit, den notwendigen Leitungsbau zwischen Nord- und Süddeutschland zu realisieren.


Haben wir es also nur mit einem Verteilungsproblem zu tun? Kann in Deutschland überhaupt genug Strom aus regenerativen Energien produziert werden, um den Strom der schrittweise vom Netz genommenen herkömmlichen Kraftwerke zu ersetzen?

Das Thema AKW ist durch. Der Ausstieg aus Kohlekraftwerken wurde ebenfalls definiert. Das sind dann die Rahmenbedingungen, unter denen wir nun die notwendige Versorgungssicherheit gewährleisten müssen. Wir müssen aber natürlich weiterhin die Frage aufwerfen, wo die erneuerbaren Energien in Zukunft herkommen sollen, die es uns ermöglichen werden, unseren CO2-Ausstoß zu verringern. Die benötigten Mengen sind meiner Meinung nach noch nicht sichergestellt, ja noch nicht einmal wirklich berechnet worden. Wir haben aber grundsätzlich technologisch die Möglichkeit, die gesetzten Ziele zu erreichen. Die Frage ist nur, mit welchen Nebenwirkungen all dies verbunden sein wird. Das müssen wir diskutieren. Für uns ist beispielsweise die Bepreisung von CO2-Emissionen ein ganz wichtiges Thema. Das sollte aber nicht nur deutschlandweit passieren, sondern auf globalem Niveau. Das ist mit Blick auf die Nachhaltigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit eine grundlegende Voraussetzung.


Kann es überhaupt zu einer globalen, verbindlichen Lösung kommen? Schließlich ist ein erhöhter Umweltschutz auch ein Wohlstandsphänomen. Viele Länder haben nicht den finanziellen Spielraum, so stark wie die entwickelten Industrieländer die Senkung der CO2-Emissionen zu forcieren.

Natürlich muss man realistisch sein. Man muss aber auch ganz klar sagen, dass Deutschland in Europa mit Abstand den größten CO2-Ausstoß hat. Auf der anderen Seite sind die CO2-Emissionen pro hergestelltem Produkt in Deutschland mit am niedrigsten. Wir sind also schon äußerst effizient und haben hier vergleichsweise wenig Spielraum. Daher braucht es nun komplett neue Produktionstechnologien. Bis diese entwickelt sind, müssen wir effizienter werden und mehr auf erneuerbaren Energien setzen. So wollen wir unseren neuen Verbundstandort in Indien komplett mit erneuerbarer Energie versorgen. Für uns als global aufgestellte Firma ist es wichtig, dass wir eine globale CO2-Bilanz haben und keine regionale oder landes-spezifische. Wir haben in den letzten Jahrzehnten schon enorm viel erreicht: Pro Tonne an hergestellten Produkten hat BASF den CO2-Ausstoß in den letzten 25 Jahren um etwa 75 Prozent verringert.


Wie können solche Schritte mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit gerechtfertigt werden? Sie befinden sich ja in einem globalen Wettbewerb, und nicht alle Mitbewerber der BASF handeln so umweltbewusst wie Ihre Firma.

Wir als BASF haben auf der gesamten Welt die gleichen Standards. Wir wollen das von Anfang an auch mit den entsprechenden Technologien erreichen. Aber klar, wir brauchen mittelfristig eine globale, mindestens jedoch G20-weite, CO2-Bepreisung. Es müssen gleiche Bedingungen für alle geschaffen werden. Deshalb setzen wir uns für dieses Thema weltweit ein. Ansonsten könnten sich natürlich Wettbewerbsnachteile ergeben.


Was halten Sie von der geplanten EU carbon border tax?

Diese Steuer findet die BASF nicht praktikabel. Wir bezweifeln, dass sie durchsetzbar ist.


Wird sie trotzdem kommen?

Das muss man im Zusammenhang mit dem Green Deal der neuen EU-Kommission sehen. Ich kann jedem nur empfehlen, sich einmal die Ausführungen von Herrn Timmermans anzuschauen. Dort ist man nicht nur bei den ohnehin schon ehrgeizigen Zielen für 2030, 2040 und 2050 verblieben, sondern möchte gerne noch einen oben draufsetzen. Das ist etwas, dass wir uns sehr genau anschauen und noch diskutieren sollten. Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht. Wir alle haben kein Problem mit engagierten Zielen. Man darf aber Ziele nicht so setzen, dass sie irgendwann kontraproduktiv werden.

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„Pro Tonne an hergestellten Produkten hat BASF den CO2-Ausstoß in den letzten 25 Jahren um etwa 75 Prozent verringert.“


Um vernünftig diskutieren zu können, braucht es eine sachliche Atmosphäre. Inmitten der von der Greta-Hype geprägten Endzeitstimmung dürfte das aber etwas schwierig sein.

Ganz wichtig ist, dass wir, egal, wo wir in verschiedenen Diskussionen mit Entscheidungsträgern sind, gegen Panikmache auftreten. Wir sollten in Ruhe über Pläne und deren Umsetzung diskutieren. Und wir sollten es auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse tun. Wissenschaft und Technologie sind die Schlüssel zur Lösung unserer Probleme. Nur so werden wir es schaffen. Nur Endzeitstimmung zu verbreiten hilft nicht. Die Probleme müssen technologisch angegangen werden.


Auf Seiten der selbsternannten Umweltlobbyisten scheint man stattdessen lieber auf Verbote und eine neuzeitliche Maschinenstürmerei zu setzen. Wie wollen Sie hier positive, realistische Akzente setzen?

Wir stehen vor schwierigen Zeiten. Die Weltwirtschaft schwächelt. Die chemische Industrie ist in einer schwierigen Zeit, was den Zyklus angeht. Eine Krise ist aber immer auch eine Chance. Je länger die Krise dauern wird, desto mehr Dinge werden sich von selbst relativieren. Ich glaube, dadurch wird auch diese Panikstimmung mit der Zeit aufhören. Dann müssen wir aber zu einer ehrlichen Debatte darüber zurückkehren, dass der Klimaschutz mit Kosten und mit Veränderungen verbunden ist und es Zielkonflikte gibt. Wenn wir Wettbewerbsfähigkeit fordern, dann darf das nicht gleich als bremsend interpretiert werden. Wir suchen vielmehr Wege, Klimaschutz ohne De-Industrialisierung zu ermöglichen – denn nur das ist langfristig tragfähig.

Dazu müssen wir faktenbasiert argumentieren und dürfen uns auch nicht scheuen, dies in der Öffentlichkeit zu tun. Die Industrie ist gut beraten, noch stärker in der Öffentlichkeit aufzutreten. Ob das nun jedem liegt oder nicht.


Sicher braucht es auch mehr Rückgrat. Viele Topmanager und vor allem deren PR-Kollegen scheinen immer noch vorrangig auf Applaus von den Medien erpicht zu sein und scheuen sich vor kontroversen Äußerungen.

Ja, wir müssen mehr Rückgrat zeigen. Bei manchen Dingen sind wir bisher noch nicht klar genug aufgetreten. Das wird auch gerade beim Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und dem Verband der chemischen Industrie (VCI) diskutiert. Wir müssen uns viel aktiver und klarer ausdrücken. Wir müssen unsere Themen auf der Basis von Wissenschaft, Technik und des Ingenieurwesens vertreten.


Dabei werden die Industrievertreter sicher auch auf die Gefahren von zu hohen Energiepreisen hinweisen.

Das ist ein sehr delikater Punkt. Wir als BASF sind hier jedoch in der glücklichen Lage, dass wir in Sachen Energieversorgung am Standort Ludwigshafen unabhängig sind, nicht zuletzt auch wegen der Stabilität des Netzes. Wir wissen, was es heißt, wenn Netze nicht stabil sind: Wenn man ein Werk wie Ludwigshafen herunterfahren und es in den Sicherheitsmodus versetzen müsste, dann hätten wir sofort einen massiven finanziellen Schaden.

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„Wir müssen mehr Rückgrat zeigen. Bei manchen Dingen sind wir bisher noch nicht klar genug aufgetreten.“



Diesen Komfort, also eine autarke Energieversorgung haben nur die wenigsten Firmen…

Dass Deutschland inzwischen in Europa zu den Spitzenreitern bei den Strompreisen gehört, ist natürlich ein absoluter Wettbewerbsnachteil für Unternehmen, wenn sie die Kriterien für die Entlastungen nicht erfüllen können. Zudem stehen diese für die Wettbewerbsfähigkeit absolut notwendigen Entlastungsoptionen ständig unter Rechtfertigungsdruck. Das muss sich ändern. Wir brauchen erneuerbare Energie, aber zu wettbewerbsfähigen Preisen. Anders werden wir die Energiewende nicht stemmen können. Das ist eine absolute Grundvoraussetzung.


Kann aber überhaupt die Menge an Strom aus regenerativen Energien hergestellt werden, um wettbewerbsfähige Preise zu ermöglichen?

Klar sind hier Grenzen gesetzt. Aktuell wird in Deutschland beispielsweise eine Diskussion über den Mindestabstand zwischen Siedlungen und Windrädern geführt. Dabei werden die Zielkonflikte zwischen Klima-, Lärm- und Artenschutz sichtbar. Daher muss hier realistisch betrachtet werden, was in einem maximalen Szenario überhaupt möglich ist. Vor allem die Offshore-Aktivitäten können aber noch gesteigert werden.


Kann ein weniger an Industrie die große Lösung sein?

Eine Deindustrialisierung von Deutschland darf auf keinen Fall eine Lösung sein. Dies führt ja neben dem Verlust an Arbeitsplätzen nur zu einer Verlagerung der Emissionen und hilft daher dem Klima nicht. Wir müssen in Deutschland und Europa komplette Wertschöpfungsketten behalten. Hier ist die chemische Industrie enorm wichtig.


Der Erhalt von Wertschöpfungsketten darf aber kein frommer Wunsch sein, sondern kann nur mit attraktiven Rahmenbedingungen bewirkt werden.

Wir können uns nicht abkoppeln von den Entwicklungen außerhalb Europas. Sobald wir die Wettbewerbsfähigkeit verlieren und mit unseren technologischen Lösungen nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen können, wird die Welt insgesamt verlieren. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Innovationskraft weiter zur Lösung der globalen Probleme beiträgt. Das geht aber nur in einem Wettbewerbsumfeld, in dem wir bestehen können.


Ist Deutschlands Energiepolitik nachhaltig?

Ich bin kein Energieexperte. Aber es stellt sich mir schon so da, dass wir hier sehr auf Kante nähen. Als erstes wurde beschlossen, die Atomkraftwerke abzuschalten. Jetzt geht es an die Kohlekraftwerke. Folgen demnächst Gaskraftwerke? In welcher Frist soll gedacht werden, um diese Energiewende zu begleiten? Da muss noch viel nachgedacht werden, damit all das dem Klima zugute kommt und gleichzeitig die europäische Industrie wettbewerbsfähig bleibt, ja sogar noch an Wettbewerbsfähigkeit gewinnt.

Denn das ist ja bei der ganzen Thematik mindestens ebenso wichtig: die Stellung von Europa in der Welt. Wenn wir das nicht meistern, dann wird Europa weltweit an Bedeutung verlieren. Mit Blick auf die Lösung der globalen Probleme und Herausforderungen ist es aber wichtig, dass wir Europäer auf einer Augenhöhe mit den Amerikanern und Asiaten mitspielen. Wenn wir aber die Energiewende nicht vernünftig hinbekommen, dann wird unsere Gesamtposition eher geschwächt als gestärkt.

Dabei ist es ja der Anspruch der Politik, die Industrie über die sehr ehrgeizigen Klimaziele noch wettbewerbsfähiger zu machen. Das ist aber leichter gesagt als getan. So nach dem Motto, man muss die Ziele nur möglichst hoch setzen, weil die Industrie es bisher ja noch immer irgendwie geschafft hat, diese zu erreichen. Es gibt aber eine Grenze, jenseits der es nicht mehr so sein wird.

Bei vielen Lösungsalternativen befinden wir uns auch noch ganz am Anfang. So ist zum Beispiel der Tesla sicher nicht das Auto, das dafür sorgt, dass wir die Energiewende in der Mobilität hinbekommen werden. Wir brauchen ein Fahrzeug mit einer akzeptablen Fahrleistung, das sich die breite Masse leisten kann. Davon sind wir aber noch sehr weit entfernt.



Es wird schwer sein, eine entsprechende Mentalitätswende herbeizuführen. Dazu müssten unter anderem Top-Manager wie Sie in der Öffentlichkeit noch viel Rückgrat zeigen!

Wir müssen uns in Zukunft noch klarer ausdrücken. Wir müssen auch, ganz richtig, mehr Rückgrat zeigen, damit sich durchdachte und tragbare Lösungen durchsetzen, die beides voranbringen: Klimaschutz und Wirtschaftsstandort. Wir müssen aktiv unsere Themen setzen und auch positiv besetzen.


Wenn Ihnen das nicht gelingt, dann übernehmen Greta & Co. die Agenda!

Die jüngeren Generationen müssen stürmisch sein. Sie müssen Ideen haben und dürfen ruhig auch Dinge wie FFF-Demos machen. Damit habe ich überhaupt kein Problem. So etwas Ähnliches haben wir alle gemacht, als wir jung waren. Aber was nicht sein darf, dass wir als Erwachsenengeneration plötzlich sagen, die Kinder haben alle recht und wir müssen ihnen jetzt folgen. Die Agenda sollten wir gemeinsam in gesellschaftlichem Konsens bestimmen.


Es wird nicht leicht sein, wieder auf eine vernünftige sachliche Ebene zurückzufinden.

Das muss jeder nicht zuletzt auch in seiner Familie tun. Wir müssen aber auch ganz klar sagen, dass wir als Erwachsene nicht nur ein Recht, sondern auch die Pflicht haben, die Dinge beim Namen zu nennen. Hysterie und Panik sind immer ein schlechter Ratgeber. Wir müssen wieder zu einer Debatte zurückkommen, die auf wissenschaftlichen Fakten basiert. Es kann nicht sein, dass man sofort als „Klimaleugner“ abgekanzelt wird, sobald man nur einzelne Dinge hinterfragt. Als Industrievertreter müssen wir uns klar positionieren und mehr Ehrlichkeit einbringen. Wir brauchen mehr Mut zur Wahrheit und dazu, die eigene Meinung offen zu vertreten.


Viele, die es besser wissen, schweigen aus Opportunismus oder aus Angst vor Medienschelte.

Das ist ein ganz schwieriges Thema, das uns allen begegnet. Wir müssen mit wissenschaftlichen Fakten argumentieren. Immer und immer wieder. Wir müssen unsere Lösungen aufzeigen. Und auf hinkende Vorschläge hinweisen. Viele Dinge, die auf den ersten Blick gut aussehen, machen bei einer Betrachtung der gesamten Energie- und Umweltbilanz keinen Sinn. Viele mögliche Lösungen befinden sich noch im Anfangsstadium. Bis sie massenhaft eingesetzt werden können, wird noch viel Zeit vergehen.

Wir haben viele Ideen. Viele Leute arbeiten an neuen Lösungen. Es wird viel Geld investiert. Die Industrie braucht dafür aber Planungssicherheit. Besonders in rohstoffarmen Ländern wie Deutschland oder Ungarn. Wenn man aber auf Innovationen verzichtet, dann ist man schnell weg vom Fenster. Man muss offen über die Themen diskutieren. Dahin müssen wir wieder zurückgekommen. Es gibt so viele Themen zu besprechen. Wir brauchen eine freie Marktwirtschaft mit einem verlässlichen Rahmen. Daran müssen wir arbeiten. Bei dem New Green Deal, der jetzt kommt, wird es etliche Diskussionen über genau diese Rahmen- und Zielsetzung geben.

Immer wieder wird „political correctness“ eingefordert. Korrekt sind wir, wenn wir die Fakten auf den Tisch legen. Man kann ja unterschiedlicher Meinung sein, aber man sollte offen miteinander diskutieren.

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