Wer schon einmal über einen der vielen Weihnachtsmärkte in Budapest gewandert ist und einen Glühwein getrunken hat, ahnt es bereits: Zwischen den ungarischen und deutschen Weihnachtstraditionen gibt es viele Gemeinsamkeiten. Glühwein (ung.: forralt bor) ist nur eine von ihnen. Genau wie in Deutschland schmücken Ungarn in der Adventszeit das Haus weihnachtlich und drapieren ihren Wohnzimmertisch mit einen Adventskranz, auf dem jeden Sonntag eine weitere Kerze brennt.


Hochsaison fürs Backen

Zu dem Tannenduft gesellt sich alsbald der Backduft: Teig wird gerührt, Nüsse geknackt, Bleche in den Ofen geschoben. Hier beginnen die kleinen Unterschiede. Als Kind war für mich in Deutschland ein Advent ohne Kekse ausstechen und dekorieren nicht denkbar. Dabei erfreuten die entstandenen Kekse nicht immer das Auge, aber Spaß gemacht hat es uns Kindern umso mehr. Gemeinsam Kekse backen scheint in Ungarn jedoch weniger verbreitet. Backen ist Aufgabe der Mutter oder Großmutter. Doch dürfen heutzutage die Kinder hier und da schon einmal umrühren, kneten oder dekorieren.

Und was wird gebacken? Weit verbreitet sind Lebkuchen (ung.: Mézeskalács). Stollen kann man in Ungarn zwar an immer mehr Plätze kaufen, doch ist er kein Hauptbestandteil der ungarischen Weihnachtsbackkultur. Stattdessen werden hier Beigli gebacken, eine Rolle mit Mohn- oder Nussfüllung. Genauso wie beim Stollen gilt auch hier die Devise: Das gekaufte Beigli mag zwar gut schmecken, doch an Großmutters’ kommt er nicht heran.


Nikolaus der Schuhfüller

Genauso wie in Deutschland kommt in Ungarn auch der Nikolaus am 6. Dezember. Wie in alten Zeiten auch bei uns, und immer noch in Belgien oder Luxemburg, so ist es der Nikolaus, der traditionell die Geschenke bringt. Am fünften Dezember herrscht große Aufregung im Haus: Die Schuhe müssen geputzt und anschließend auf den Fenstersims gestellt werden. Genau, Fenstersims, nicht vor die Tür. Da stellt sich die Frage, wie er das denn macht, der Nikolaus. Öffnet er das Fenster von außen? Meine Nachbarin und Freundin erzählte mir, sie hätte ihre Kinder aufklären müssen, dass es den Nikolaus nicht wirklich gibt. Ihren fünfjährigen Sohn ängstigte die Vorstellung nämlich zu sehr, dass jemand Fremdes in ihre Wohnung kommen könnte. Und einen Kamin hatten sie nicht…

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Was in Deutschland der Weihnachtsstollen, ist in Ungarn das Beigli.


Essbarer Weihnachtsbaumschmuck

Schließlich kommt der Weihnachtsabend. Auch hier gibt es viele Gemeinsamkeiten und viele kleine Unterschiede. So wird der Weihnachtsbaum so wie auch in Deutschland traditionell erst am Heiligen Abend aufgestellt. Wie dies vor sich geht, ist leicht unterschiedlich. Denn in Ungarn sind es das Jesuskind und die Engel, die nicht nur kleine Geschenke, sondern auch den Weihnachtsbaum bringen. Während die Eltern also den Weihnachtsbaum klammheimlich aufstellen, sind die Kinder bei den Großeltern.

Und nun kommen die bunt eingewickelten Konfektstücke zum Zug (ung.: Szaloncukor). Es gibt sie mit unterschiedlicher Füllung, von Marzipan bis Erdbeere. Zusammen mit anderem Christbaumschmuck werden die Bonbons am Baum befestigt. Sie reflektieren das Glitzern der Kerzen und der Kinderaugen, wenn diese schließlich das Wohnzimmer betreten dürfen. Die Kinder sind es auch, die den Szaloncukor nach und nach wie von unsichtbarer Hand verschwinden lassen – eine alternative Variante sind leere oder mit Steinchen gefüllte Verpackungen am Weihnachtsbaum.


Armer ungarischer Ritter

Am Heiligen Abend isst die engste Familie zusammen. Traditionell gibt es Fischsuppe (ung.: Halászlé), manche essen auch gefüllten Kohl oder gefülltes Huhn. Als Süßspeise gilt traditionell Mákos Guba, das eine Art süßer Armer Ritter mit Mohn ist: Kifli (Hörnchen vom Bäcker) werden in Milch eingelegt, mit Eiern und Mohnmasse vermischt und im Ofen gebacken. Ein Rezept dafür können Sie unter anderem auf Chefkoch.de finden.

Als ich eine Freundin nach einer besonderen Kindheitserinnerung zu Weihnachten fragte, meinte sie ohne groß nachzudenken: „Bananen!“. In der sozialistischen Mangelwirtschaft konnte man jedes Jahr zu Weihnachten Bananen kaufen. Doch war der Andrang in den Geschäften jedes Mal so groß, dass man nur dann mit Sicherheit welche bekam, wenn man jemanden im Geschäft kannte. Die meist noch grünen Bananen wurden dann zwei Wochen oben auf dem Schrank gelagert und durften auf keinen Fall schon vorher angefasst werden. Heute spielt die Banane in Ungarn keine besondere Rolle mehr. Heute ist in Ungarn mit Blick auf das Bananenangebot praktisch jeden Tag Weihnachten.

Die wichtigsten Weihnachtsvokabeln:


Boldog Karácsonyt! - Frohe Weihnachten!

Mézeskalács – Lebkuchen, méz = Honig

Szaloncukor – in buntes Glanzpapier verpacktes Konfekt

Halászlé – Fischsuppe (kann auch zu anderen Jahreszeiten gegessen werden)

Mákos Guba – Süßspeise mit Mohn (ebenfalls das ganze Jahr im Angebot)

Fenyőfa / karácsonyfa – Weihnachtsbaum

Forralt bor – Glühwein

Die Autorin ist Geschäftsführerin von Hungarian For Expats. Diese Sprachschule bietet Gruppen- und Privatkurse an, in denen Expats praxisorientiert Alltagsungarisch lernen können.


Am 12. Dezember bietet Hungarian For Expats um 10 Uhr eine spezielle Veranstaltung an: Christmascarols & More. Dort können die Teilnehmer ungarische Traditionen kennenlernen, Beigli essen und auch ein ungarisches Weihnachtslied lernen. Mehr Infos dazu unter: info@hungarianforexpats.com

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