Kaum eine andere Persönlichkeit ist mit dem deutschen Schicksal des 20. Jahrhunderts so eng und auf vielfältige Weise verbunden, wie Imre Kertész, nämlich mit dessen Abgründen und dessen Blüten. Er stand für das Schicksal eines ganzen Volkes beziehungsweise zweier Völker.


Kein Hass

Nach Hass wird der Leser im „Romans eines Schicksallosen“ vergeblich suchen und das ist vielleicht gerade das Einzigartige an diesem Meisterwerk des Schicksallosen. Sein Schicksal war nicht das Hassen, sondern der Kampf für das Gute. Die weisen Worte aus Sophokles’ „Antigone“ können es vielleicht am treffendsten ausdrücken:„Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da…“.

Imre Kertész wurde am 9.November 1929 in Budapest geboren. Seine jüdische Abstammung wurde ihm, wie vielen Anderen zum Verhängnis, als er mit nur 14 Jahren im wahrsten Sinne des Wortes aus einem Autobus heraus nach Auschwitz verschleppt wurde.Von dort wurde er ins KZ Buchenwald verlegt. Nach seiner Rückkehr nach Budapest machte Kertész sein Abitur und mußte nun die Repressionen der neuen kommunistischen Diktatoren über sich ergehen lassen.

Er absolvierte den Militärdienst und arbeitete als Wärter in einem Militärgefängnis. Nur durch Vortäuschung eines Nervenzusammenbruches konnte er aus dieser Stelle entkommen und schlug sich fortan als freier Schriftsteller mit dem Schreiben von Theaterstücken und Musicaltexten durch. Nach Erscheinen seines ersten Romans 1975 konnte er sich mit Übersetzungen der Werke von Nietzsche, Hoffmannsthal, Schnitzler, Freud, Joseph Roth, Canetti, Dürrenmatt, Wittgenstein und weiteren seinen Lebensunterhalt verdienen. 1953 trat Albina Vas in sein Leben, die er 1960 heiratete und mit der er bis zu ihrem Krebstod 1995 zusammenlebte.


„Roman eines Schicksallosen“

All diese, seine Erlebnisse hielt er für die Nachwelt auf unvergleichliche Weise in seinem weltberühmten „Roman eines Schicksallosen“ fest, wofür er 2002 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Dreizehn Jahre arbeitete er an diesem Werk, das noch 1973 „wegen seines anstößigen Gehaltes…“ zunächst vom Verlag Megvető zurückgewiesen wurde und das dann 1975 nach zwei unerwarteten positiven Gutachten im Verlag Szépirodalmi endlich erscheinen konnte.

Nur 5.000 Exemplare wurden gedruckt, von denen nur wenige im Handel erhältlich waren. Erst die zweite Auflage brachte Kertész eine gewisse Bekanntheit und die Möglichkeit, fortan regelmäßig publizieren zu können.

Die weltweite Rezeption seiner Werke außerhalb Ungarns erfolgte aber erst nach dem politischen Systemwechsel 1989, besonders Dank der Kritikerin Eva Haldimann. Fortan wurden seine Werke in viele Sprachen übersetzt.

In seinem wichtigsten Werk beschreibt er die schrecklichen Ereignisse im KZ aus der Sicht eines 15jährigen Jungen, der er war. Das macht dieses Meisterwerk gerade so groß, Empörung und Entsetzen werden nicht beschrieben, sondern entstehen beim Leser aus sich selbst heraus.

Das für den Leser Unfaßbare spricht er im Schlusssatz aus: „Alle fragen mich immer nur nach Übeln, den ‚Gräueln‘: obgleich für mich vielleicht gerade diese Erfahrung die denkwürdigste ist. Ja, davon, vom Glück der Konzentrationslager müßte man ihnen erzählen, das nächste Mal, wenn sie mich fragen.Wenn sie überhaupt fragen. Und wenn ich es nicht selbst vergesse….“

1996 dann heiratete Imre Kertész seine zweite Frau Magda, eine ungarischstämmige Amerikanerin, die dem Schicksal des Schicksallosen neues Leben brachte. Ihre Liebe schweißte sie eng zu einer untrennbaren Einheit zusammen.

Magda wich selbst dann nicht von seiner Seite, als sie selbst schon schwer erkrankt war. Sie wuchs über sich hinaus und trotzte ihrem Körper die letzten Kraftreserven ab, um ihrem geliebten Mann bis zur letzten Minute zur Seite zu stehen. Schon schwer erkrankt starb Imre Kertész am 31. März 2016 in Budapest, seine geliebte Magda sollte ihm schon kurze Zeit später folgen.


Konversation

WEITERE AKTUELLE BEITRÄGE
Regierungsbeschlüsse

Ende für Transitzonen

Geschrieben von BZ heute

Am kommenden Dienstag reicht die Regierung jene Vorlage im Parlament ein, mit der sie um die…

Im Gespräch mit Columbo, Frontmann der Band Irie Maffia

Musik in der Quarantänezeit

Geschrieben von Péter Réti

Vor 15 Jahren wurde die ungarische Band Irie Maffia gegründet. Die Budapester Zeitung sprach mit…

Brettspielverleih „Játszóház Projekt”

Lasset die Spiele beginnen!

Geschrieben von Elisabeth Katalin Grabow

Gezwungenermaßen verbringen viele Menschen heute mehr Zeit daheim. Da wird die Suche nach neuen…