Sieben Männer und eine Frau haben sich an einem Samstag um zehn Uhr morgens in einem Vorort von Budapest versammelt. Sie sind bereits fleißig bei der Arbeit: Sie sägen, hämmern und schrauben. Der Boden des kleinen Hauses ist bereits fertig, jetzt müssen nur noch die Seitenwände ausgemessen werden. Gar nicht so einfach! Wie sich später herausstellt, ist die eine Seite der schrägen Wand deutlich kürzer als die andere. Also legen die Männer erneut Hand an, bis beide Seitenwände identisch sind und aufgestellt werden können. Die meisten der Anwesenden sind Mitglieder der Wirtschaftsjunioren Ungarn (WJU), einem Zusammenschluss junger deutscher Unternehmer und Führungskräfte. Nicht alle bringen handwerkliche Erfahrungen mit. Ihr Ziel: Ein bewohnbares und stabiles Tiny-Haus zu errichten.

Die Helfer unterstützen ein Obdachlosenprojekt der beiden niederländischen Sozialarbeiter Michel und Janet van Boxtel. Das Ehepaar ist vor vier Jahren aus den Niederlanden nach Ungarn gezogen, um in Kooperation mit einem Wohlfahrtsverband der Baptisten ein Obdachlosenasyl im zehnten Bezirk von Budapest zu betreuen (Die Budapester Zeitung berichtete im September darüber). Dort bieten sie Obdachlosen eine warme Mahlzeit, eine frische Dusche, seelsorgerische Hilfe und Beratungsgespräche an. Ihr nächstes großes Projekt ist eine Tiny-Haus-Siedlung für Obdachlose.


Mit Hilfe eines festen Wohnsitzes zu einem Job

„In so einem Umfeld können die Obdachlosen auch durch einfache Tätigkeiten wie beispielsweise das Aufräumen wieder Verantwortung übernehmen“, erklärt Michel. Außerdem ist ein fester Wohnsitz für die Suche nach einem Arbeitsplatz von grundlegender Wichtigkeit. Bis sie einen festen Job und eine eigene Wohnung haben, sollen die Obdachlosen daher in Tiny-Häusern wohnen können.

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Gemeinsam wird der Prototyp errichtet.


Der Vorteil: Die nach Plänen eines ehrenamtlichen Mitarbeiters von Janet und Michel gebauten Mini-Häuser sind in der Herstellung vergleichsweise günstig. Die Organisatoren rechnen mit Materialkosten in Höhe von rund 600.000 Forint. Dieser Preis wird unter anderem dadurch möglich, dass die rund acht Quadratmeter kleinen Häuser keinen Wasseranschluss haben. Zum Waschen und Kochen gehen die Bewohner in ein Gemeinschaftshaus im Zentrum der Siedlung. So soll gleichzeitig ein gemeinschaftliches Umfeld entstehen, in dem Platz für Gespräche und gegenseitige Unterstützung ist.


Tiny-Häuser bauen – Ein nachhaltiges Teambuilding-Event

„Du stehst immer mehr auf eigenen Beinen, hast eine gewisse Struktur und etwas, für das du zuständig bist“, erklärt Erik Eggert das Konzept. Als Mitglied des Spendenausschusses der Wirtschaftsjunioren hat er die Kooperation mit dem Tiny-Haus-Projekt von Janet und Michel angeregt. „Die Wirtschaftsjunioren beteiligen sich an vielfältigen Programmen mit dem Ziel, etwas für die ungarische Gesellschaft zu tun“, sagt er. In diesem Fall wollten sie aber mehr machen, als nur Geld zu geben. Sie wollten mit dem Bau eines Prototyps für ein Tiny-Haus selbst Hand anlegen und etwas Nachhaltiges schaffen.

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Die Pläne für das Musterhaus hat ein ehrenamtlicher Helfer entworfen.


Es ist bereits der dritte Tag, an dem die WJU-Mitglieder an dem Prototyp bauen. Wenn alle Einzelteile fertiggestellt sind, soll das Haus im Obdachlosenasyl im zehnten Bezirk aufgestellt werden. Dort soll der Prototyp dann zunächst unbewohnt getestet werden: Hält er der Hitze im Sommer und der Kälte im Winter stand? Ist das Haus tatsächlich bewohnbar? Klappt alles, soll dann schließlich der erste Bewohner einziehen. „Wenn das Tiny-Haus als Prototyp machbar ist und man einen gewissen Erfahrungswert hat, könnte man überlegen, ob man Firmen anbietet, eine Art nachhaltiges Teambuilding-Event daraus zu machen“, schlägt Erik vor. Mit Hilfe von Unternehmen könnten so weitere Tiny-Häuser errichtet werden. „Es wäre auch denkbar, dass man den Namen des Unternehmens als Sponsor auf das Haus schreibt oder das Haus in den Unternehmensfarben bemalt.“


Einzigartig in Ungarn

Wo genau die Tiny-Haus-Siedlung letztlich aufgebaut werden kann, ist ungewiss. Noch haben Michel und Janet keine Genehmigung von der Stadt bekommen. Ihr Wunsch ist es, das Dorf direkt neben dem derzeitigen Obdachlosenasyl aufbauen zu können. Das Gelände ist ein ehemaliges Pionierlager, die Fläche befindet sich im Eigentum der Stadt und steht derzeit leer. Es wäre das erste Tiny-Haus-Dorf in Ungarn.

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