Mit Spannung wurden die diesjährigen Ergebnisse zur Situation des deutsch-ungarischen Verhältnisses erwartet. Zu welchen Ergebnissen die Umfrage, an der jeweils Tausend Befragte in beiden Ländern teilgenommen haben, kommen würde, war durchaus nicht abzusehen: Immerhin war seit der „Flüchtlingskrise“ im Jahre 2015 das deutsch-ungarische Verhältnis immer wieder auch von gegenseitigem Unverständnis geprägt. Meinungsverschiedenheiten, die nicht selten auch zu Irritationen führten, stellten die alte Freundschaft regelmäßig auf die Probe.


Den inneren Bildern auf der Spur

Durchgeführt wurde die Studie unter dem Titel: „Ungarnbild in Deutschland und Deutschlandbild in Ungarn“. Bedenkt man, dass vor solchen „inneren Bildern“ im Sinne von „Stereotypen“, also von sogenannten Verallgemeinerungen und Vorurteilen, immer wieder auch gewarnt wird, weil sie sich einfach zwischen die Menschen schieben und eine unverstellte Sicht auf die Dinge verhindern, ist alleine schon die Tatsache interessant, dass man nun genau von diesen Bildern ausgeht, um zu wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen zu kommen. Tatsächlich kann man sie empirisch untersuchen und mit konkreten Zahlen belegen, sodass sie zu Gradmessern von Beziehungen zwischen Menschen und Völkern werden.

Die angekündigte Präsentation im Budapester Falk1 Veranstaltungszentrum stieß auf reges Interesse. Alle, denen gute bilaterale Beziehungen am Herzen liegen, durften sich darüber freuen, dass inzwischen zwei Drittel der Deutschen eine positive Meinung über Ungarn haben, während der Anteil der Ungarn, die Deutschland positiv sehen, mit 45 Prozent zumindest relativ hoch ausgefallen ist.

Auch die Wahrnehmung der bilateralen Beziehungen hat sich bei den Deutschen deutlich verbessert: Während vor zwei Jahren noch lediglich 28 Prozent eine gute Meinung von den deutsch-ungarischen Beziehungen hatten, sind es inzwischen über 40 Prozent. Bei den Ungarn hat sich diese Meinung auf hohem Niveau stabilisiert – mit 53 Prozent im Jahr 2019 gegenüber 56 Prozent im Jahr 2017.

Im Bereich der Politik wünschen sich fast 60 Prozent der Deutschen bessere deutsch-ungarische Beziehungen: 22 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren. Bei den Ungarn dagegen gab es hier – mit 42 statt der bisherigen 41 Prozent – keine signifikanten Änderungen. Bei den traditionell starken deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen wiederum wünschten sich mit rund 55 Prozent fast genauso viele Ungarn eine weitere Verbesserung wie die Deutschen mit fast 60 Prozent.

Das verbesserte Image Deutschlands gegenüber Ungarn zeigt sich auch daran, dass 38 Prozent der Deutschen der Migrationspolitik der ungarischen Regierung zustimmen. Vor zwei Jahren waren es lediglich 26 Prozent.

Ein weiterer Faktor, der bei der Wahrnehmung der bilateralen Beziehungen eine Rolle spielt, ist das Merkel-Orbán-Treffen zum 30. Jahrestag des paneuropäischen Picknicks. Es bestand in der Tat ein breiter Konsens darüber, dass die damalige Grenzöffnung ein positiver Akt der Ungarn war. Sowohl die Deutschen (64 Prozent) als auch die Ungarn (66 Prozent) sind der Meinung, dass Deutschland dankbar sein sollte für das, was Ungarn vor drei Jahrzehnten getan hat.


Neue Einsichten

Wenn also die Mehrheit in beiden Ländern jeweils ein deutlich verbessertes Bild des anderen hat, so muss doch auch festgestellt werden, dass dies in Deutschland gegenüber den Ungarn sehr viel stärker ausgeprägt ist als umgekehrt.

Nachdem sich die Sicherheitslage in Deutschland in den vergangenen Jahren nicht unbedingt zum Besseren entwickelt hat, ist zu vermuten, dass gerade in Bezug auf die Aktivitäten der ungarischen Regierung beim Grenzschutz bei vielen Deutschen ein Umdenken eingesetzt hat.


Gemeinsame Wirtschaftsinteressen

DUIHK-Sprecher Dirk Wölfer betonte, dass sich auch die guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf das Bild auswirken, das man voneinander hat. So seien für das am Rande einer Rezession stehende Deutschland der Erfolg und das Wohlergehen der deutschen Investitionen in Ungarn von großer Bedeutung. Schließlich sei Ungarn nach China und den USA das drittwichtigste Land für die deutsche Automobilindustrie: Immer mehr Arbeitsprozesse würden nach Ungarn verlegt, während sich Ungarn inzwischen auch als Forschungs- und Entwicklungsstandort für Spitzentechnologie großer Beliebtheit erfreue.

Wölfer betonte auch, dass sich vier von fünf deutschen Unternehmensleitern erneut für Ungarn entscheiden würden. Sie schätzten die stabilen politischen Verhältnisse, die gut ausgebildeten Arbeitnehmer und nicht zuletzt, die von der Regierung verfügten Steuersenkungsprogramme. Der DUIHK-Sprecher erinnerte auch daran, dass rund 300.000 Ungarn von deutschen Firmen beschäftigt würden.„Im Großen und Ganzen“, so Wölfer „wird man feststellen können, dass man in Deutschland an guten Beziehungen zur gesamten Visegrád-Gruppe interessiert ist.“


Öffentliche Meinung vs. veröffentlichte Meinung

Eine Teilnehmerin fragte, wie es sein könne, dass sich die Meinung der Deutschen so verbessert habe, während die deutschen Medien doch nach wie vor recht kritisch über Ungarn berichteten. Der Forschungsdirektor des Nézőpont-Instituts Dániel Nagy erklärte dazu, dass sich die öffentliche Meinung zuweilen von der in den Medien veröffentlichten Meinung durchaus unterscheiden könne.


Zentraleuropäische Gemeinsamkeiten

Während der Veranstaltung betonte der Staatssekretär für Information und Internationales Image im ungarischen Außenministerium, Menczer Tamás, dass es natürlich Versuche gebe, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern und ihren Menschen zu beschädigen. Doch jedes Mal, wenn es zu einer zentraleuropäischen Kooperation gekommen sei, habe sie zu großen Erfolgen geführt.

So habe Ungarn auch erst seine Souveränität wiedererlangt, nachdem es zur deutschen Wiedervereinigung gekommen sei. Ungarn lehne zwar die „Vereinigten Staaten von Europa“ ab, es strebe jedoch nach einem „freien Europa starker und souveräner Nationen“, in dem Deutschland eine führende Rolle spielt. In dieser sollte Deutschland bei grundlegenden Themen, wie etwa beim Brexit, der Migrationskrise, der Sicherheit, der Ukraine-Frage oder auch bei der EU-Osterweiterung die Richtung weisen.


Freundschaft als Normalität

Nachdem über die verschiedenen Faktoren, die in den deutsch-ungarischen Beziehungen ihre Wirkung entfalten, die unterschiedlichen Ereignisse der vergangenen Jahre und das Auf und Ab der Meinungsbilder gesprochen war, rückte zum Abschluss noch eine historische Dimension in den Fokus. So sprach der Direktor des Nézőpont-Instituts Ágoston Sámuel Mráz von der über 1000-jährigen Geschichte, in der die Freundschaft zwischen Deutschen und Ungarn den „Normalzustand“ darstelle. Tatsächlich gibt es in der deutschen Geschichte nicht allzu viele Länder, zu denen die Beziehungen konstant so positiv gewesen sind wie zu Ungarn.

Konversation

WEITERE AKTUELLE BEITRÄGE
Regierungsbeschlüsse

Ende für Transitzonen

Geschrieben von BZ heute

Am kommenden Dienstag reicht die Regierung jene Vorlage im Parlament ein, mit der sie um die…

Im Gespräch mit Columbo, Frontmann der Band Irie Maffia

Musik in der Quarantänezeit

Geschrieben von Péter Réti

Vor 15 Jahren wurde die ungarische Band Irie Maffia gegründet. Die Budapester Zeitung sprach mit…

Brettspielverleih „Játszóház Projekt”

Lasset die Spiele beginnen!

Geschrieben von Elisabeth Katalin Grabow

Gezwungenermaßen verbringen viele Menschen heute mehr Zeit daheim. Da wird die Suche nach neuen…