„Ich hätte nie gedacht, dass das mal solche Ausmaße annehmen wird“, sagt Kamau Makumi über den Erfolg seiner Band. Wir treffen den Mary-Popkids-Frontmann zum Interview in einem kleinen Restaurant im VIII. Budapester Bezirk. Der lässig gekleidete Halb-Ghanaer hatte von Kindesbeinen an die Musik im Blut: „Meine Eltern hegen eine große Liebe zur Musik. Bob Dylan und Pink Floyd gehörten deshalb schon früh zu meinen musikalischen Vorbildern. Um ihnen nachzueifern, habe ich im Teenageralter mit dem Gitarrespielen angefangen“, erinnert sich der gebürtige Budapester.


Aus Freundschaften gewachsene Musikgruppe

Bei Makumis Band, den Mary Popkids, handelt es sich nicht etwa um ein Konstrukt großer Plattenfirmen, sondern eine aus Freundschaften gewachsene Musikgruppe. Die meisten Bandmitglieder kennen sich schon von klein auf: „Unseren anderen Frontsänger Sanyi kenne ich schon, seit ich zehn bin. Am Ende unserer Schulzeit haben wir uns am Balaton getroffen und angefangen Musik zu machen. Es kamen immer mehr Leute dazu, die ihr musikalisches Talent mitbrachten. So ist die Band entstanden“, beschreibt Makumi die Anfänge der heute achtköpfigen Musikgruppe.

Die zu Beginn unter dem Namen „Cruisers“ bekannte Band verfolgte zunächst keine großen Ziele. Stattdessen genossen es die jungen Leute, einfach zusammen Musik zu machen: „Jeder brachte ein anderes musikalisches Talent mit. Aus Spaß meldeten wir uns 2009 zum Straßenmusikfestival in Veszprém an. Dort traten wir dann vier Tage am Stück auf“, erzählt Kamau Makumi der Budapester Zeitung.

Schnell merkte die Band, dass ihre Musik beim Publikum Anklang findet und den Leuten Freude bereitet. Und so machten sie unter dem Namen Mary Popkids weiter. 2014 kam der erste Durchbruch. Die Band gewann die Talentshow „Nagy-Szin-Pad“ und durfte im selben Jahr auf der großen Bühne des europaweit bekannten Sziget-Festivals auftreten.


Blues, Soul, Funk, Elektronic und Indie in einem

Anfangs spielte die Band vor allem Coverversionen berühmter Hits, später kamen eigene Kompositionen hinzu. Wie bei vielen Jugendlichen handelten diese ersten selbstgeschriebenen Songs natürlich von Liebe, Freundschaft und Enttäuschungen.

Musikalisch lässt sich die Band nur schwer in eine einzige Schublade stecken. „Wir vereinen in unserer Musik viele verschiedene Einflüsse, da unsere Bandmitglieder aus unterschiedlichen musikalischen Richtungen kommen. Unser eigener Stil hat sich aber so ab 2014 herausgebildet. Ich würde es als eine Mischung aus Blues, Soul, Funk, Elektronic und Indiepop beschreiben“, erklärt Makumi. Seiner Ansicht nach geht es ihm und seiner Band einerseits darum, innovativ zu bleiben, andererseits sollen die Zuhörer die Musik aber auch schnell wiedererkennen können.

Auf die Frage, ob es bei insgesamt acht Bandmitgliedern nicht manchmal schwer sei, auf einen Nenner zu kommen, antwortet Makumi lachend: „Früher gab es öfter Probleme. Aber im Allgemeinen geht es bei uns ziemlich demokratisch zu. Jeder hat seinen Platz in der Gruppe gefunden. Im besten Fall treffen wir eine Entscheidung, mit der die Mehrheit leben kann.“


„Wir schreiben unsere eigene Musik“

Die Mary Popkids stehen bei keiner Plattenfirma im herkömmlichen Sinne unter Vertrag. Stattdessen produzieren sie ihre Musik und ihre Videos selbst. Alle Materialien stammen aus ihrer eigenen Feder. Einen professionellen Songwriter für diesen Job anzuheuern, kommt bei ihnen nicht in Frage: „Wir sind kein Produkt. Es gehört dazu, dass man als Band seine eigene Musik schreibt. Wenn wir keine guten Ideen haben, dann lassen wir es lieber ganz. Etwas auf Teufel komm raus zu machen, führt nicht zum Erfolg“, erläutert der Sänger. Seiner Ansicht nach lohnt es sich nicht, Musik zu machen, wenn man dabei nicht innovativ ist und aus der Masse hervorstechen kann. Schließlich, so Makumi, würden allein auf Spotify jeden Tag 40.000 neue Songs veröffentlicht.

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Frontman Kamau Makumi: „Bei insgesamt acht Bandmitgliedern ist es nicht immer einfach, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.“ (Foto: Péter Hencz)

Den Schaffensprozess der Band beschreibt er so: „Zuerst entsteht die Musik, dann der Text.“ Auf die Frage, was ihn inspiriere, antwortet der Sänger schmunzelnd: „Alles. Jeder hat auf irgendeine Weise den Drang, Gefühle auszudrücken. Manche malen, tanzen oder kochen, ich mache Musik. Wenn man es schafft, seine Gefühle durch Musik auszudrücken, macht es einen sehr glücklich. Es ist wie eine Therapie und wenn es anderen gefällt, dann ist das ein guter Bonus. Das Wichtigste ist jedoch, authentisch zu bleiben.“ Makumi erklärt zudem, dass die meisten neuen Songs bei Jam-Sessions der Band entstehen würden.


Der aktuelle Musikmarkt

„In den letzten zehn Jahren habe sich Hip-Hop und die elektronische Musik zu Zugpferden der Musikindustrie entwickelt“, findet Makumi. Viele Bands würden dabei auch die Grenzen der einzelnen Musikrichtungen sprengen. Doch beim aktuellen Mainstream bleibt Kamau Makumi kritisch: „Man merkt, wenn die Musik keine Seele hat. Trotzdem hat sich diese nichtssagende Musik stark verbreitet.“

Makumi hebt in diesem Zusammenhang den Produzenten und Rapper Kanye West hervor. Er würde in der heutigen Zeit für die nötige Progressivität sorgen: „Das, was Bob Dylan für die Musik seiner Zeit war, ist Kanye West für die heutige Musikindustrie“, ist der Sänger überzeugt.


„Musik soll die eigenen Gefühle widerspiegeln“

Auf die Frage, was für Kamau Makumi in der Musik am wichtigsten sei, antwortet er: „Dass sie mir gefällt. Man muss mit sich im Reinen sein.“ Nach Ansicht des Sängers ist es faszinierend, zu sehen, dass die Musik so ein wichtiger Faktor im Alltag der Menschen ist. „Es überrascht mich immer wieder, dass das, was wir in unserem kleinen Proberaum machen, die Menschen erreicht.“

Makumi glaubt, dass es für die Zuhörer wichtig sei, dass die Musik und die Texte die eigenen Gefühle und Erfahrungen widerspiegeln. „Ich weiß nicht, ob unsere Band eine Botschaft hat. Ich denke, die Message findet sich auch nicht in dem, was ich singe, sondern jeder interpretiert sie auf seine eigene Weise. Sie entsteht im Hörer.“

In ihren Liedern singen die Mary Popkids meist auf Englisch. Viele hätten ihnen schon dazu geraten ihre Songs auf Ungarisch aufzunehmen, erzählt Makumi. Doch der Sänger betont: „Ich mach das nach Gefühl. Die Lieder, mit denen ich aufgewachsen bin, waren auf Englisch. Auf Ungarisch fällt es mir schwer, einen guten Text zu schreiben.“


„Wir sind vor jedem Konzert aufgeregt“

Die Mary Popkids sind heute im Line-up aller großen Festivals in Ungarn anzutreffen. Auf die Frage, was ihnen bei Auftritten am wichtigsten sei, antwortet Makumi: „Das eine gute Energie zwischen uns herrscht, technisch alles klappt und wir das Publikum gut einbinden können. Wir sind vor jedem unserer Konzerte aufgeregt. Wenn man nicht mehr aufgeregt ist, läuft etwas falsch.“ Laut Makumi kommt auch bei drei Sängern in einer Band bei Auftritten niemand zu kurz. Jeder könne sich auf der Bühne verwirklichen.

Die Mary Popkids waren bereits auf einer kleineren Europatour: „Wir sind schon in Belgien, Polen, in den Niederlanden, Schweden und Rumänien aufgetreten.“ Nun sind weitere Auslandsauftritte in Planung: „Deutschland steht ganz oben auf unserer Liste, da wir auf Spotify sehen, dass viele Leute unsere Musik dort mögen“, erzählt Kamau Makumi. Doch zunächst wird die Band ihre Konzertaktivitäten zurückschrauben, um an einem neuen Album zu arbeiten – bereits das dritte der Band. Es soll im Januar erscheinen.


„Wir nehmen das nicht zu ernst“

Nächstes Jahr feiert die Band ihr zehnjähriges Bestehen. Die Luft ist den jungen Musikern aber noch lange nicht ausgegangen. Nach eigenen Aussagen ist ihnen wichtig, sich neuen Herausforderungen zu stellen: „Doch trotz allem soll das alles natürlich Spaß machen. Wir haben nicht das Gefühl, dass die Musik unser Job ist“, fügt Makumi hinzu. Auf die Frage, was ihre zukünftigen Ziele seien, antwortet er bescheiden: „Wir nehmen das alles nicht zu ernst. Uns ist es wichtig, dass wir in unserer kleinen Welt glücklich sind.“

Weitere Informationen zu den Mary Popkids und ihrer Musik finden Sie auf https://www.facebook.com/marypopkids/

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