Die Vision der selbstfahrenden Autos ist revolutionär. Sie könnten zum Beispiel durch effizientere Fahrwege die Umwelt schonen. Ältere oder behinderte Menschen wären mobiler und könnten aktiv an der Gesellschaft teilnehmen. Autofahrer könnten ihre Zeit zum Schlafen oder Arbeiten nutzen. Vor allem aber könnte die Zahl der Unfälle reduziert werden. Denn laut dem ADAC werden circa 90 Prozent aller Unfälle durch menschliches Versagen verursacht. Autonome Fahrzeuge wären in Millisekunden in der Lage, auszuweichen oder einen Bremsvorgang zu starten. So weit die Idealvorstellung. Doch bis die Fahrzeuge auf diesem Entwicklungsniveau angekommen sind, gibt es noch einen langen Prozess mit technischen Neuerungen und Testphasen.


Künstliche Intelligenz als Forschungskern

An diesem Prozess arbeitet auch Continental. Genau vor einen Jahr eröffnete der deutsche Automobilzulieferer in Budapest ein Zentrum für Künstliche Intelligenz (KI), der Kernkompetenz des autonomen Fahrens. Experten für Hard- und Software, darunter Hochschulabsolventen der Technischen Universität Budapest, sollen dort komplexe Systeme für die Fahrzeuge der Zukunft entwickeln. In dem Zentrum geht es vor allem darum, das maschinelle Lernen zu verbessern, was Künstliche Intelligenz maßgeblich ausmacht. Das sogenannte Deep Learning imitiert das neuronale Netzwerk des menschlichen Gehirns und lernt von selbst dazu, weil es Verbindungen als richtig erkennen und stärken kann. Jens Brüning ist der Leiter des Zentrums. Bei der WJU-Vorführung zeigte er, wie beim maschinellen Lernen geforscht wird. Dabei ging es um die Umweltwahrnehmung der Maschine und die Optimierung von Testdaten.

Doch zunächst ist autonom nicht gleich autonom. Allgemein unterscheidet man zwischen teil-, hoch- und vollautomatisierten Fahrzeugen, die in Levels von eins bis fünf eingeteilt werden (siehe Infobox). „Continental steht mit seiner Entwicklung momentan bei Level drei und möchte in den kommenden Jahren hoch automatisiertes Fahren erreichen“, so der Leiter der Realisierungsgruppe, Dr. Stefan Munder. Dafür brauche es eine höchst zuverlässige Künstliche Intelligenz. Maschinen können Sprache verstehen, Texte lesen und Bilder klassifizieren. Dafür werden sie mit Videos aus dem Straßenverkehr trainiert. So sollen sie immer genauer Situationen analysieren und darauf reagieren können. Die KI erfasst ihre Umwelt als ein Schema, in dem Fußgänger, Gebäude, Straßenschilder und Tiere semantisch getrennt sind.


Maschine und Moral

Wie die WJUler im Rahmen der Vorführung bei Continental erfuhren, besteht die Herausforderung aber nicht nur darin, eine Situation zu analysieren, sondern auch die Intention von Verkehrsteilnehmern einschätzen zu können. Menschen erkennen durch feinste Gestik oder durch Blickkontakt, ob ein Fußgänger die Straße betreten möchte. Eine KI muss mit Hilfe des Deep Learnings tausende Fotos von menschlichen Gesichtern einspeichern, um eine ähnliche Leistung erbringen zu können.

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Bis Fahrzeuge vollkommen selbstständig fahren können, dauert es noch Jahre.


Um eine KI effektiv zu trainieren, müsse man sie verstehen, sprich wissen, welche Daten sie zum Lernen benötigt und wie sie sich situationsabhängig verhält. Continental erprobe die Software für autonome Fahrzeuge unter anderem mit einem Simulator, der optisch an ein Computerspiel erinnert. So könnten Videos erstellt werden, in denen die KI auf Verkehrsteilnehmer und Zeichen reagieren muss. Sie solle so trainiert werden, dass sie die Gesetze des Straßenverkehrs einhalte. Auch Extremsituationen wie das Fahren bei Schneefall oder Wolkenbruch würden geprobt.

Besonders schwierig werde es dann, wenn das Fahrzeug ethische Entscheidungen treffen muss. „Stellen Sie sich vor, Sie fahren auf einen Betonpfeiler zu, die Bremsen des Autos haben versagt. Sie könnten ausweichen und ein Kind überfahren, das die Straße überquert oder Sie fahren gegen den Pfeiler und sterben“, wies ein Continental-Mitarbeiter auf ein mögliches Dilemma hin. Es bleibe vorerst der Mensch, der programmiert, wie die Maschine in solchen Extremsituationen entscheidet, stellte er jedoch klar.

Ein internationales Forscherteam habe eine große Zahl an Personen befragt, nach welchen Kriterien – wie dem Alter, dem sozialen Stand oder der Einhaltung von Gesetzen – diese Entscheidung getroffen werden sollte. Ihre Ergebnisse wurden im Fachblatt Nature publiziert. Die Probanden entschieden deutlich häufiger, dass Kinder einen Unfall überleben sollten. Ärzte und Athleten überlebten in der Simulation häufiger als Obdachlose und Kriminelle.


Spielzeugenten als Testfahrer

Róbert Moni promovierte an der Technischen Universität Budapest und arbeitet nun als Experte für Deep Learning bei Continental. Anhand des Modells „Duckietown“, bei dem Spielzeugenten auf kleinen Robotern fahren, führte er vor, wie eine KI Objekte im Straßenverkehr erfasst. Die Enten konnten der Straße selbstständig folgen und blieben von alleine stehen, wenn die Sensoren Stoppschilder erkannten.

In den nächsten Jahren möchte Continental laut Unternehmensinformationen weiter in die Entwicklung eigener KI-Systeme investieren und bis 2021 ein Expertennetzwerk aufbauen. Dies solle in enger Zusammenarbeit mit Universitäten und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz geschehen.


Level des autonomen Fahrens

Level 1: Der Fahrer wird durch Assistenzsysteme wie dem Parkassistenten oder dem Abstandsregler unterstützt. Die meisten neuen Fahrzeuge sind auf diesem Stand.


Level 2: Das Fahrzeug kann automatisch einparken oder bremsen. Der Fahrer hat ständig den Verkehr im Blick und haftet für Verstöße.


Level 3: Das Auto kann einfache Strecken wie Autobahnen selbstständig fahren. Der Fahrer kann sich vorübergehend vom Verkehr abwenden. Bei komplizierten Abschnitten wie Baustellen muss der Fahrer das Steuer übernehmen können.


Level 4: Auch komplexe Situationen kann das Auto alleine meistern. Der Fahrer kann anderen Tätigkeiten nachgehen, wie arbeiten oder schlafen. Im Bedarfsfall gibt das System Warnhinweise. Während der vollautomatisierten Fahrt haftet der Passagier nicht mehr für Schäden und Verstöße.


Level 5: Die Technik bewältigt alle Verkehrssituationen. Das Fahrzeug ist vollständig autonom, es braucht kein Lenkrad mehr. Der Passagier benötigt keinen Führerschein. Das Auto wird zum Roboter-Taxi.

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