„Wie verdoppelt man den Wert eines Trabis? - Volltanken!“, wird in dem Film „Go Trabi Go“ aus dem Jahre 1991 gescherzt, in dem das ostdeutsche Ehepaar Struutz mit ihrer Tochter Jaqueline die Straßen im wahrsten Sinne des Wortes unsicher macht. Denn ihr himmelblauer Trabant erweist sich durch etliche Pannen als nicht ganz so zuverlässiger Weggefährte. Schließlich schaffen sie es im Trabant aber doch bis in ihr Traumland Italien.

Schon damals spaltete der Trabant die Gemüter: Im Westen wurde er herablassend belächelt, für die einfachen Leute im Osten war das günstige Auto ein Segen, seine Besitzer verband eine Art Hassliebe mit dem Trabi, während LKW- und Busfahrer nur Spott für den lauten und unbequemen „Pappkarton“ übrighatten. Jeder zweite Wagen in der DDR war ein Trabant, womit das Auto für den damaligen Osten steht, wie kein zweiter Gebrauchsgegenstand.


Ein Begleiter für alle Fälle

Gerade wegen seiner unbeständigen Technik ist es bemerkenswert, dass das Unternehmen „Go Trabi Go“, welches sich nach dem Kultfilm benannt hat, über eine Flotte von 40 noch funktionierenden Trabis verfügt. Das Unternehmen startete vor elf Jahren mit nur wenigen Autos, bis eine große Firma Events für Teambuildings anfragte. Daraufhin war die Geschäftsidee geboren, die Kult-Automobile für besondere Events wie Firmenausflüge, Hochzeiten oder Geburtstage anzubieten. Heute hat die Geschäftsführerin Tímea Palai das Programm um diverse Touren durch Budapest sowie den Transfer in einem Trabi-Taxi erweitert.

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Über das Internet hat sie immer wieder weitere Autos aus Deutschland hinzugekauft, um die Flotte zu vergrößern, wobei das älteste der Autos 36 Jahre alt ist. Mittlerweile musste das Unternehmen auf ein größeres Gelände im XXI. Budapester Bezirk umziehen, auf dem sich auch eine eigene Werkstatt befindet. Bei den meisten der Wagen handelt es sich um das meistproduzierte Modell der Trabant-Baureihe, den P601. Besonders stolz ist Tímea Palai auf ihren eigenen pinken Hello-Kitty-Trabi, die zwei seltenen Cabrio-Trabanten, sowie den Tramp-Trabanten, einen geländetauglichen Militärwagen.

Zu den voll funktionstüchtigen Autos kommen noch etwa 30 Karosserien hinzu, die für diverse Spiele genutzt werden. Für Gruppenevents werden beispielsweise Trabi-Karosserien weiß angemalt und können dann von den Teilnehmern nach Belieben mit Wasserfarben dekoriert werden können. Das Ziel ist es, den Trabi am außergewöhnlichsten zu bemalen. Dabei entstehen unter anderem blumige Hippie-Karren, Wagen im jeweils landestypischen Design und andere kunstvolle Einzelstücke, die anschließend auf Fotos verewigt werden. Außerdem gibt es einen Trabi, in dem hinten zwei Fitnessräder eingebaut sind. Dieses Auto kann man nur im Team bedienen, es muss von zwei Fahrrad-Fahrern und einem Lenker gesteuert werden. Ein drittes Spiel ist das Trabi-Rennen mit einer leeren Karosserie, bei dem die Autohülle mit den eigenen Füßen wie ein Rennrad benutzt wird.


Kultig durch Budapest

Die Trabifahrten werden außerdem als Sightseeingtouren durch Budapest angeboten. „Die Leute freuen sich immer wieder und winken, wenn sie unsere bunte Trabi-Flotte durch die Innenstadt fahren sehen“, lächelt Tímea Palai. Der Ausflug startet beim Széchenyi fürdő, führt über den Heldenplatz und die Kettenbrücke sowie durch das Burgviertel und über den Gellértberg. Diese festgelegte Route müssen die Teilnehmer befolgen, damit die Mitarbeiter im Falle eine Unfalls oder eines technischen Problems schnell mit einem Sicherheitsauto zur Hilfe kommen können. Damit jeder mal ans Lenkrad darf, werden zwischendurch Pausen gemacht, damit die Fahrer die Möglichkeit haben, die Plätze zu tauschen. Manchmal würden sich die Leute auch verfahren, so die Geschäftsführerin, dann müsse das Team in der Stadt auf Suche gehen.

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Einen Trabanten zu fahren ist zwar nicht schwierig, erfordert aber dennoch eine kurze Einweisung in die Technik, die jeder Besucher vor der Tour bekommt. Im Gegensatz zu modernen Autos verfügt der Trabi nicht über eine Servolenkung, weshalb man beim Steuern etwas mehr Kraft braucht. Mit einem zarten Gewicht von 600 Kilogramm gilt er als Leichtgewicht unter den Automobilen. Das liegt vor allem an dem Material des Fahrzeuges, das vor allem aus dem Kunststoff Duroplast besteht, der auf ein Metallgerippe geklebt ist. Mit seinem Zweitaktmotor und dem Vierganggetriebe erreicht er eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 100 Kilometern pro Stunde. Die Bremse wirkt dabei direkt auf die Hinterreifen, was das Trabi-Fahren zu einer mechanischen Angelegenheit zwischen Mensch und Maschine macht.

Die Nr. 1 im Osten

Der Trabant war leicht und günstig zu produzieren, was in der DDR den Vorstellungen der sozialistischen Wirtschaft entsprach. Das Auto war so beliebt, dass zuletzt rund 2,9 Millionen Stück auf den ostdeutschen Straßen fuhren. Durch die Produktionsknappheit mussten Interessenten sich damals auf einer Warteliste eintragen und offiziell bis zu zehn Jahre auf das rare Luxusgut Trabant warten. Pro Person durfte man nur ein Fahrzeug bestellen. Fast jeder DDR-Bürger über 18 verfügte über einen Platz auf einer Warteliste. Die meisten warteten auf einen Trabi.

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Durch die damals herrschende Werkstattknappheit litten die Trabantfahrer laut der FAZ unter einer regelrechten „Ersatzteil-Hortungsmanie“. „Es wurde nicht gekauft, was gebraucht wurde, sondern was gerade zu haben war, für den Fall, dass man es mal gebrauchen könnte. Oder was als Tauschgegenstand für Baumaterial und andere knappe Güter dienen konnte“, so die Zeitung. Den emotionalen Höhepunkt seiner Karriere feierte der Trabant mit dem Mauerfall im Jahre 1989, als ewig lange Karawanen des Autos Richtung Westen über die Grenzpunkte der DDR fuhren.

Deutsche interessieren sich weniger für die Trabis

Trotz der deutschen Geschichte des Kult-Autos kommen deutsche Touristen eher selten vorbei, erzählt Tímea Palai. Eher gefragt seien die Touren bei ausländischen Touristen wie Italienern, Franzosen oder Amerikanern. Auch Ungarn interessieren sich für die historischen Autos, da ihr Land ebenfalls viel mit dem Trabanten verbindet.

Ungarn war eines der wenigen Länder, in das die DDR-Bürger frei reisen konnten und beispielsweise mit der gesamten Familie zum Plattensee fuhren, mit dem Kofferraum voller Gepäck und dem Zelt auf das Autodach geschnallt. Als im Sommer 1989, kurz vor dem Fall des Eisernen Vorhangs, Tausende DDR-Bürger nach Ungarn aufbrachen, entstand in Zugliget ein Flüchtlingslager. Kaum einer traute sich über seine Pläne zu sprechen, aus Angst vor Spitzeln des DDR-Geheimdienstes. Schließlich brachen von dort aus etwa 150 Flüchtlinge in 50 Trabanten zum paneuropäischen Picknick an der österreichischen Grenze auf, ohne jegliche Gewissheit über die Zukunft. Sie alle ließen ihre wertgeschätzten Trabbis und Wartburgs auf ungarischer Seite stehen und tauschten sie gegen die neue Freiheit ein.

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Überraschungsprogramm Trabifahrt

Um mehr über die ungarische Geschichte zu erfahren, können Teilnehmer auch bei einer Kommunismus-Tour in den Trabanten die Spuren des untergegangenen Systems entdecken. Andere, weniger Geschichtsinteressierte, können aber einfach nur eine besondere Fahrt durch Budapest erleben. „Für die meisten unserer Gäste ist es ein Überraschungsprogramm. Sie wissen also nicht, was auf sie zukommt. Sie sind dann sehr überrascht, wenn sie die alten Autos sehen. Für besonders große Personen kann der kleine Trabi zwar zur Herausforderung werden, Spaß hatten bisher aber trotzdem alle“, lacht Tímea Palai.


Go Trabi Go

Preise: ab 6.000 Forint pro Stunde

Weitere Informationen finden Sie auf gotrabigobudapest.com

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