„Ich hätte mir nie so eine Karriere erträumen können“, erzählt László Nagy der Budapester Zeitung begeistert. Der 38-Jährige kam im ungarischen Székesfehérvár zur Welt, wuchs jedoch in der „Stadt des Sonnenscheins“, Szeged, auf. Die ersten Annäherungen mit dem Handball erlebte Nagy in seiner Schulzeit: „Bei uns war es Pflicht in der Grundschule Handball zu spielen“, erläutert der über zwei Meter große Ungar.

Jedoch widmete er seine Freizeit anfangs nicht dem Handball, sondern dem Basketball: „In meiner Familie war es gute Tradition, dass man schon in jungen Jahren anfängt, Basketball zu spielen. Mein Vater war sogar ungarischer Nationalspieler. Mein Bruder und ich haben zu Beginn auch Basketball gespielt“, berichtet László Nagy. Sein Talent für den Basketballsport war ebenfalls groß.

Mit gerade einmal 14 Jahren bekam er Angebote aus Amerika und hatte die Möglichkeit, dort seine schulische Laufbahn weiterzuführen und Basketball zu spielen. „Ich war mit der Jugendnationalmannschaft für ein Trainingslager in Amerika. Dort wurden man auf mich aufmerksam“, fügt Nagy hinzu. In Ungarn hatte Basketball allerdings keine große Tradition.


Beginn der Handballkarriere

Bei den Schulmeisterschaften im Handball weckte der im rechten Rückraum spielende László Nagy schließlich das Interesse der Trainer von Pick Szeged. „Sie haben mich ständig angerufen. Am Anfang hatte ich gar keine Lust. Die haben sich aber so oft gemeldet, dass ich mich am Ende zu einem Training überreden lassen habe“, erzählt die Handballgröße der Budapester Zeitung.

Doch selbstverständlich blieb es nicht nur bei einem Training. Mit nur 16 Jahren debütierte er in der ersten Mannschaft von Pick Szeged. „Es hat mich selber sehr überrascht und macht mich auch heute noch sehr stolz, dass ich schon in so jungen Jahren für Szeged auflaufen durfte“, erzählt Nagy. 1997 belegte er bei der Europameisterschaft mit der Jugendnationalmannschaft den dritten Platz. Zuvor gewann die Mannschaft gegen Spanien.


„Aller Anfang ist schwer“

„Der Trainer der Spanier war ein guter Freund vom Barcelona-Coach. So entstand der erste Kontakt“, erläutert der 38-Jährige, wie er dazu kam, für einen Handballclub im katalanischen Barcelona zu spielen. 1999 besuchte der Trainer der Katalanen Nagy in Budapest. Sie legten ihm einen Sieben-Jahres-Vertrag vor. So ein langer Vertrag ist im Handball sehr ungewöhnlich.

„Sie hatten von Anfang an großes Vertrauen in mich und ich habe ohne zu überlegen zugesagt“, fügt Nagy hinzu. So wechselte der damals 19-jährige László Nagy zu einem der größten Vereine im Handball. Auf die Frage, wie er die Anfangszeit in Barcelona erlebte, antwortet Nagy nostalgisch: „Aller Anfang ist schwer.

Ich war mit 19 Jahren weit weg von meiner Familie und von meinen Freunden. Doch ich erlebte so viele neue Impulse, dass ich gar keine Zeit hatte, ins Grübeln zu kommen. Es wurde von Jahr zu Jahr einfacher und Spanien wurde zu meiner zweiten Heimat.“

Er gewann mit dem FC Barcelona zweimal die Champions League, wurde dreimal spanischer Meister und gewann ebenfalls dreimal den spanischen Pokal. Nebenbei wurde er 2009, 2013, 2015 und 2016 zum besten Handballer Ungarns gewählt. „Es ist eine große Ehre, dass die Arbeit, die man Jahre lang leistet, wertgeschätzt wird. Jedoch würde ich all diese Auszeichnungen gegen den Mannschaftserfolg eintauschen“, erklärt Nagy.

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Erfolge mit der Nationalmannschaft

László Nagy war fast 20 Jahre lang Nationalspieler. Er lief 199 Mal für die Ungarn auf und warf 728 Tore. „Es erfüllt mich mit großer Freude, dass ich für mein Heimatland spielen durfte und später sogar Kapitän einer großartigen Mannschaft war“, erzählt Nagy stolz. Er erreichte mit den Ungarn 2004 und 2012 den vierten Platz bei den Olympischen Spielen. „Das war ein großer Erfolg. Wir haben alle Erwartungen übertroffen“, erinnert sich der Ungar zurück. 2006 belegten sie den sechsten Platz bei der Weltmeisterschaft in Kroatien.

Doch es folgte eine lange Auszeit, denn Nagy trat 2011 aus der Nationalmannschaft zurück. „Ich hatte mehrere Gründe. Die Sachen im Hintergrund liefen nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Aber für mich als Kapitän stand immer das Wohl der Mannschaft im Vordergrund“, erklärt Nagy der Budapester Zeitung. 2012 wurden die Probleme aus der Welt geschafft und er wurde wieder Teil des Nationalteams.


Zurück in der Heimat

Nach zwölf Jahren im Ausland kehrte László Nagy nach Ungarn zurück. 2012 unterschrieb er beim ungarischen Erstligisten MKB Veszprém KC. Seit seiner Rückkehr wurde diese Mannschaft fünfmal hintereinander ungarischer Meister. Nun steht Nagy dieses Jahr mit Veszprém im Halbfinale der Champions League. „Keiner hätte gedacht, dass wir so weit kommen“, erklärt der zweimalige Champions-League-Sieger.

Laut Nagy werden Wille, Zusammenhalt und ein Quäntchen Glück eine entscheidende Rolle dabei spielen, wer die Trophäe am Wochenende mit nach Hause nehmen darf. „Unter den letzten Vier sind keine schwachen Teams mehr. Wenn sich die Last verteilt und wir eine gute defensive und offensive Arbeit leisten, kann alles passieren“, fügt Nagy hinzu.

Da der FC Barcelona ebenfalls unter den Halbfinalisten ist, kann es durchaus sein, dass die Ungarn das Finale gegen die Katalanen bestreiten. Auf die Frage, ob er sich über so ein Finale freuen würde, antwortet Nagy schmunzelnd: „Es wäre ein Traum. Ich habe in Barcelona meine schönsten Jahre verbracht und Veszprém unterstützte mich in meiner gesamten Laufbahn. Veszprém wollte mich schon vor meiner Zeit in Barcelona verpflichten. Doch Gott sei Dank konnte ich mit beiden Vereinen am Ende große Erfolge feiern.“


Entwicklungen der letzten Jahre

Die ungarischen Männer konnten bei der Weltmeisterschaft im Januar leider nur den zehnten Platz belegen. „Wir müssen unseren Ansprüchen besser gerecht werden“, mahnt der László Nagy. Die Frauen hingegen konnten am Ende des letzten Jahres bei der Europameisterschaft den siebten Platz belegen. „Betrachten wir die Mannschaft mit den vielen Verletzten ist es eine absolut positive Überraschung. Sie konnten sich gegen sehr starke Gegner durchsetzen. Mit professioneller Arbeit kann man viel erreichen“, erläutert der Ungar.

Neben den Erfolgen der Frauen-Nationalmannschaft konnten die Ungarinnen auch auf Vereinsebene überzeugen. Dieses Jahr gewannen die Damen der Győri ETO KC die Champions League. „Die Frauen konnten große Erfolge feiern. Wir Männer müssen da den Anschluss gewinnen“, fordert László Nagy. Er zeigt sich optimistisch und glaubt, dass der ungarische Handball auf einem sehr guten Weg sei: „Wir haben sehr viele Talente in unseren Reihen. Mit Fleiß und Leidenschaft können wir uns verbessern. Ich bin zuversichtlich.“

Auf die Frage, wer in seine Fußstapfen treten könnte, antwortet Nagy: „Betrachten wir die Spieler auf meiner Position, also im rechten Rückraum, so würde ich Dominik Máté herausheben. Er hat eine große Zukunft vor sich und ich hoffe für ihn, dass er eine noch erfolgreichere Karriere als ich haben wird.“

László Nagy arbeitet auch aktiv an der Nachwuchsarbeit im Handball mit. Dieses Jahr findet im Sommer das elfte Internationale László-Nagy-Trainingslager statt. Anfangs waren es nur 32 nun sind es bis zu 120 Kinder aus aller Welt. „Ich bin vom ersten bis zum letzten Tag anwesend. Ich esse und trainiere mit den Kindern. Sie sollen einen Sportler kennenlernen, zu dem sie aufschauen können“, erzählt uns der 38-jährige.

Weitere Ziele des Trainingslagers sind es, dass die Kinder sich höhere Ziele setzen und einen besseren Einblick in die Sportart bekommen. „Es nehmen sowohl Mädchen als auch Jungs teil, die auf einem hohen Niveau spielen. Aber das ist keine Voraussetzung. Wir haben auch Spieler, die Handball nur als Hobby betrachten“, fügt Nagy hinzu. Kinder von 8 bis 17 Jahren können an dem Trainingslager teilnehmen.

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Ziele der Zukunft

„Wir sind ein sportverliebtes Land“, so László Nagy. Er war in Glasgow anwesend, als verkündet wurde, dass die Europameisterschaft 2022 in Ungarn und der Slowakei ausgetragen wird. „Das macht mich unglaublich stolz und ich freue mich für die Jungs. Ich werde sie dazu motivieren, dass sie das als riesige Chance und Herausforderung betrachten“, erzählt Nagy glücklich. Er hatte leider nicht das Glück, in seiner Heimat an einer Welt- oder Europameisterschaft teilzunehmen. „Auch wenn ich nicht mehr ein Teil der Mannschaft sein werde, kann ich mich für sie genauso freuen.“

Auf die Frage, warum Nagy ausgerechnet jetzt seine Laufbahn beendet, antwortet er: „Nach 22 Jahren ist die Zeit gekommen, um aufzuhören. Ich habe die Entscheidung nach der Weltmeisterschaft Anfang des Jahres getroffen, direkt nach der Champions League meine Profilaufbahn zu beenden. Ich habe meinen Ausstieg auf Wunsch meiner Trainer so weit wie möglich hinausgezögert.“

In Zukunft wird Nagy als Sportdirektor beim MKB Veszprém KC arbeiten. Weiterhin ist er Mitglied im ungarischen Handballverband und wird auch den Trainerschein ablegen. „Es wäre mir eine große Ehre, irgendwann die Nationalmannschaft zu trainieren“, fügt die Handballlegende abschließend hinzu.

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