Das römische Aquincum war ab 106 nach Christus die Hauptstadt der Provinz Pannonia inferior. Errichtet wurde die Stadt am Westufer der Donau - auf dem Gebiet des heutigen Óbuda - jedoch schon einige Jahrzehnte zuvor. Sie war in drei Teile geteilt und zählte in ihrer Blütezeit 50.000 bis 60.000 Einwohner. Etwa 10.000 bis 12.000 Menschen bewohnten die Zivilstadt, den Ort des heutigen Aquincum-Museums. Darüber hinaus waren 6.000 Soldaten in der Legionärsfestung stationiert und nochmal 30.000 bis 40.000 Menschen wohnten in unmittelbarer Nähe der Festung in der sie umgebenden Militärstadt.

Das Museum von Aquincum wurde bereits 1894 gegründet und blickt somit auf eine 125-jährige Geschichte zurück. 60 Menschen arbeiten heute im und für das Museum. Die Kultureinrichtung ist nicht eigenständig, sondern dem Budapester Historischen Museum (BTM) unterstellt.

Orsolya Láng, die Direktorin des Aquincum, hat der Budapester Zeitung bei einem Gespräch Einblicke in ihre Arbeit, Projekte und Zukunftsvisionen sowie die Geschichte der einstigen Römerstadt gegeben. Seit 19 Jahren arbeitet die promovierte Archäologin im Aquincum. Ihr Interesse für Ausgrabungen wurde durch ihre Kindheit in Libyen und die dort existierenden römischen Stätten in Nordafrika geweckt.


Aquincum im heutigen Budapest

Auch heute noch werden archäologische Artefakte oder Fundamente bei Grabungen entdeckt. Nur etwa 50 Prozent der Legionärsfestung wurden bisher freigelegt. Die Militärstadt, die die Festung umgibt, ist sogar nur zu acht Prozent archäologisch untersucht worden. Grund für diesen sehr niedrigen Wert ist die Tatsache, dass das heutige Óbuda auf den Überresten der alten Römerstadt erbaut wurde. Dadurch, so Láng, bekommen die Archäologen nur bei Abrissarbeiten alter Gebäude, sowie bei der Errichtung neuer Gebäude die Chance, Ausgrabungen durchzuführen.

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Kopie eines antiken Paradehelms aus dem vierten oder fünften Jahrhundert nach Christus. Getragen wurde diese Art von hochrangigen Offizieren des Militärs.


Die Zivilstadt, die heute als archäologischer Park des Museums fungiert, wurde bisher zu etwa 60 bis 70 Prozent erforscht. „Es gibt also noch viel zu tun“, so Láng. Stolz erzählt die erfahrene Archäologin von kontrollierten Ausgrabungen im Park, zu denen auch Schaulustige und Interessierte eingeladen werden. Bei dieser Gelegenheit kann man nicht nur den Archäologen bei der Arbeit zuschauen, sondern auch Fragen stellen.

Anders als die Militärstadt befindet sich die Zivilstadt auf unbebautem Gebiet. Das solle sich auch in Zukunft nicht ändern, sodass dieser Teil für zukünftige Generationen erhalten bleibt, so Láng.


Aquincum zur Römerzeit oder das kleine Rom

Aquincum war eine weit ausgedehnte Siedlung. Als Hauptstadt von Pannonia inferior beherbergte sie die ganze Administration der Provinz. Eine Legion war hier ebenfalls permanent stationiert. Gerade durch die besondere geographische Lage im Nordosten von Pannonien hatte die Stadt auch eine äußerst wichtige strategische Bedeutung. War doch die Donau die Grenze des Römischen Reiches. Erste Festungen wurden bereits in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus erbaut, so die Archäologin.

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Millionen von Artefakten lagern in den Archiven und Schauräumen des Museums.


Man könne Aquincum auch als ein kleines Rom bezeichnen, sagt Láng. Immerhin gab es in der Provinzhauptstadt allerlei Gebäude und Luxusgüter, die ansonsten nur in Rom zu finden waren: über zehn Badehäuser, einen großen Marktplatz, eine Basilika sowie ein Thermalkomplex, Warenhäuser und heilige Stätten. Es gab Wohnhäuser mit Mosaikverzierungen, Fußbodenheizungen und Wandbemalungen. Verstreut in den Budaer Bergen standen Villen. Die Fundamente von etwa 50 von ihnen konnten bereits freigelegt werden.


Geschichte der Römerstadt

Vor der Ankunft der Römer in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts lebten Kelten auf dem Gebiet des späteren Aquincum. Diese hätten sich aber schnell in die neue römische Gesellschaft integriert und akzeptierten unter Wahrung eigener Traditionen auch die kulturellen Gepflogenheiten der Römer. Laut der Museumsdirektorin kleideten sich die Männer rasch nach römischem Vorbild, wohingegen die keltischen Frauen noch einige Zeit nach der römischen Eroberung in traditioneller Kleidung wandelten.

Die römische Herrschaft über Aquincum endete im Jahr 433 nach Christus mit der Übergabe der Provinz an die Hunnen. Zunehmende Barbareneinfälle veranlassten die Bewohner der Zivilstadt von Aquincum jedoch bereits deutlich früher zur Aufgabe der Stadt. Die Bevölkerung übersiedelte in die Nähe der Festung. Der Schutz durch die Soldaten sei dabei ebenso wie eine bessere Wirtschaftslage ausschlaggebend gewesen, so Láng.


Typische Artefakte

In den Lagerräumen des Museums befinden sich Millionen von archäologischen Objekten, darunter Münzen, Schmuck und natürlich Keramik. Anhand von Inschriften auf Grabsteinen lassen sich Rückschlüsse auf die Herkunft von Personen ziehen, erklärt Láng. Zwar lebte die Bevölkerung nach römischen Sitten, ihre keltischen Namen behielten aber viele Menschen bei.

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Ein besonderer Schatz im Besitz des Aquincum-Museums ist eine Wasserorgel. Es handle sich dabei um das einzige intakte Musikinstrument des Römischen Reiches jener Zeit. Gerade in Aquincum sei sie sehr beliebt gewesen, erzählt die Museumsdirektorin.

In über 40 Ausgrabungen pro Jahr würden noch heute unzählige Objekte freigelegt.


Angebote des Museums

Das Aquincum-Museum bietet ganzjährig zahlreiche Veranstaltungen an. Einige besondere Angebote haben römische Feierlichkeiten als Vorbilder. Orsolya Láng nennt hier zum Beispiel das zwischen dem 11. und 12. Mai stattfindende Floralia-Fest zu Ehren der römischen Gottheit Flora.

Neben der Dauerausstellung wechselt das Museum zweimal pro Jahr zwischen temporären Ausstellungen.

Ein besonderes Augenmerk lege das Aquincum auf die junge Generation, versichert Láng. Es gebe regelmäßig, ja sogar fast täglich Besuche von Schulklassen. Bei den Kindern seien Museumsaktivitäten wie das Verkleiden als echte Römer oder das Zelebrieren einer römischen Hochzeit besonders beliebt. Ein Spielplatz für die Kleinsten sowie Museumsobjekte zum Anfassen und Ausprobieren für etwas größere Kinder ermöglichen darüber hinaus auch ein haptisches Eintauchen in die Antike.

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Besondere Aufmerksamkeit wird der jüngeren Generation gewidmet. (Foto: Aquincum-Museum)


Auch Kindergeburtstage kann man im Aquincum feiern. Bei dieser Gelegenheit werden etwa Schatzsuchen im archäologischen Park und andere Spiele angeboten. Diese besondere Art des Feierns sei derzeit sehr angesagt, so die Direktorin. An Samstagen und Sonntagen gebe es inzwischen zwei bis drei Feiern pro Tag.

Im Sommer können Interessierte an speziellen Sommerlagern teilnehmen. Man lernt dabei etwa wie ein Archäologe zu graben oder wie ein Gladiator zu kämpfen. Die Kinder erhalten zudem die Möglichkeit, zu erleben, wie im alten Aquincum gekocht wurde. Dabei dürfen sie sich auch nach römischem Vorbild verkleiden.

Die Philosophie dahinter sei, so Láng, dass Kinder so früh wie möglich in Kontakt mit dem Museum kommen, davon begeistert werden und sich hier wohl fühlen. Eines Tages könnten sie, vielleicht sogar als Eltern, ins Museum zurückkehren. Das sei auch das Hauptziel der Ausstellungen. Auch in Bezug auf erwachsene Besucher überlege die Museumsdirektorin ständig, wie sie die Attraktivität des Aquincums erhöhen könne.

Sollten Sie noch keine Pläne fürs kommende Wochenende oder den nächsten Kindergeburtstag haben, ihren Kindern eine Freude bereiten oder einfach etwas mehr über das Leben der Römer und die Arbeit von Archäologen erfahren wollen, dann finden sie auf der Homepage des Museums weitere Informationen.


Museum und archäologischer Park Aquincum

Budapest, III. Bezirk, Szentendrei út 135

Öffnungszeiten: täglich 9 bis 18 Uhr (Ausstellungen erst ab 10 Uhr)

Anfragen unter +36-1-430-10-81 und aquincum@aquincum.hu

Weitere Informationen finden Sie auf www.aquincum.hu/

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