In der ältesten und verbreitetsten Version der Kapitalismuskritik wurde Leistung fast ausschließlich in Form von körperlicher Arbeit verstanden, Wert, so heißt es, könne nur durch diese geschaffen werden. Als das Kommunistische Manifest im Jahr 1848 erschien, war dies für die Normalbürger fast ein Axiom. Auch Lenin und die Seinen dachten damals so.


Sicherung des Macht

Viktor Orbán schlug den Weg des Populismus ebenfalls mit einer Lüge über die Schaffung einer auf Arbeit basierenden Gesellschaft ein. Er stellte jedoch schnell fest, dass die Zahl derer, die einer ausschließlich körperlichen Arbeit nachgehen, rapide sinkt und entdeckte, dass es in unserer informationsreichen, modernen Welt andere Gruppen gibt, die vor den nächsten Wahlen in die Irre geführt werden müssen, um die Machtergreifung und den Machterhalt zu sichern.

In Europa ist der Wahlerfolg der stärkste Schild der Populisten. Er spricht sie von allen früheren und späteren Untaten frei. Nicht Orbán hat die demokratische Republik zerstört, sondern das ungarische Volk. Nicht Viktor Orbán greift den Banken und Multis tief in die Tasche, sondern das ungarische Volk. Nicht Viktor Orbán hat ein Problem mit Brüssel, sondern die Ungarn. Von György Soros und Jean-Claude Juncker ganz zu schweigen.


Ein Armer unter Reichen

Populisten sind im Allgemeinen weniger an Geld als vielmehr an Macht interessiert. Orbán hat wenigstens hier eine Neuerung eingeführt: Er ist die Galionsfigur für Geldzuwachs ohne Arbeit (oder Leistung) geworden.

Natürlich zeigt er täglich seine leeren Taschen vor, schließlich ist er ja das Paradebeispiel der Bescheidenheit und Selbstlosigkeit. Aber über seine Familie lässt sich dies schon nicht mehr sagen: Zwar haben sie beim Thema Vermögen mehr Spielraum für Erklärungen, aber man nimmt ihnen ihre vorgeblich ohne jede Hilfestellung erzielten Erfolge nicht ab.

Mit seinen Freunden ist es wieder eine andere Sache: Orbán ist ausschließlich von unsagbar talentierten und maßlos (ums Gute) bemühten Freunden umgeben. Täglich, ja fast stündlich, werden sie um Milliarden reicher. Und weil hier von gutherzigen Menschen die Rede ist, lassen sie ihren Freund, den Ministerpräsidenten, der unermüdlich fürs Wohl der geliebten Heimat kämpft, nicht im Stich. Gelegentlich überraschen sie ihn mit einer Flugreise, damit er auch ja kein ungarisch-kasachisches Fußballspiel verpasst.

Wir wissen nicht (natürlich wissen wir es!), woher das Geld für so etwas stammt, aber sicher ist, dass es nicht durch harte körperliche Arbeit verdient wurde.


Der hier in Auszügen wiedergegebene Kommentar erschien am 31. März auf dem Online-Portal des linksliberalen Wochenmagazins Magyar Narancs.

Aus dem Ungarischen von Elisabeth Katalin Grabow

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