Die EVPler konnten allen linken und liberalen Zeitgenossen inner- und außerhalb der eigenen Reihen beweisen, dass sie doch auf der „guten“ Seite stehen, weil sie es dem renitenten Fidesz mal wieder so richtig gezeigt haben. Der Fidesz kann sich wiederum als Sieger fühlen, weil er die drohende Suspendierung in eine Selbst-Suspendierung umwandeln konnte.


Ausdruck von Souveränität

„Die von George Soros unterstützten Pro-Migrationskräfte in der EVP und die ebenfalls von ihm unterstützten linken Parteien haben es nicht geschafft, den Fidesz vor die Tür zu setzen“, tönte beispielsweise Staatssekretär Balázs Orbán im TV-Nachrichtenkanal m1. Wie hätten sie es auch können, wenn sich der Fidesz selbst am Schlafittchen packt und vor die EVP-Tür befördert?

Mit Blick auf den Endeffekt hat sich freilich nichts geändert. Ob ein Verurteilter sein Urteil unterstützt und um dessen Vollstreckung bittet, ändert noch lange nichts am Urteilsspruch. Höchstens am Wohlbefinden des Verurteilten und seiner von ihm wahrgenommenen Souveränität. Insofern ist es natürlich nicht egal, wie die Suspendierung erfolgte.

Als Erfolg kann der Fidesz weiterhin verbuchen, dass das Zugeständnis mit der Selbst-Suspendierung offiziell nicht einmal an weitere Bedingungen oder Unterlassungswünsche gekoppelt ist, etwa bezüglich zukünftiger Plakatkampagnen oder kritischer Worte an die Adresse von Brüssel. So konnte Fidesz-Vorsitzender Viktor Orbán nur wenige Tage nach der EVP-Sitzung bei einer großen internationalen Migrationskonferenz unverändert seine Kritik an der Juncker-EU wiederholen, oder wie Linke, Grüne und Liberale dazu sagen würden: gegen die EU „hetzen“ und sich „antieuropäisch“ verhalten.


Die Opposition jubelt

Neben den beiden Kontrahenten Fidesz und EVP gehören übrigens auch die ungarischen Oppositionellen zu den Siegern. Während sie in der innenpolitischen Auseinandersetzung mit der Regierungspartei schon seit Jahren keinen größeren Wirkungstreffer mehr landen konnten, freuen sie sich jetzt wie die ungarischen Fußballfans nach dem historischen Sieg über Kroatien, dass der Fidesz von der EVP einmal ordentlich zur Brust genommen wurde. „Orbán wurde des Saales verwiesen“, jubelte etwa der DK-Vorsitzende und Ex-Premier Ferenc Gyurcsány. In ein ähnliches Horn bliesen auch die anderen Oppositionsparteien.

Irgendwie lassen sie sich von dem Trick mit der Selbst-Suspendierung nicht beeindrucken, und interpretieren das Endergebnis eher als Rauswurf, bei dem der Fidesz nur eine passive Rolle gespielt hat. Aber wie auch immer, Hauptsache sie können sich mal wieder freuen!

Nicht ganz so zu freuen scheinen sich hingegen die Liberalen, Grünen und Linken außerhalb von Ungarn. Auch sie wollen das Konstrukt mit der Selbst-Suspendierung nicht schlucken. Den Ausgang des Anti-Fidesz-Tribunals hatten sie sich bestimmt anders vorgestellt. Sicher hatten sie gehofft, dass sich die eingeschüchterten EVPler auch jetzt wieder so erkenntlich ergo kompromisslos gegenüber dem Fidesz zeigen würden, wie zuvor bei der Sargentini-Abstimmung.

Immerhin ist jetzt aber das, was vor Monaten nur in ihren kühnsten Wunschträumen existierte, Wirklichkeit geworden: Der Fidesz und die EVP sind trotz unveränderter formaler EVP-Mitgliedschaft des Fidesz operativ geschieden. Insofern können sich auch die Parteien links der EVP letztlich als Sieger fühlen und nun ihr nächstes Etappenziel in Angriff nehmen: die politisch motivierte EU-Mittelkürzung für Ungarn.

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