In den ehemals prächtigen Kolonialbauten bröckelt der Putz und weder das im Raum verstreute Antikmobiliar noch die farbenfroh gemusterten Fliesen können vom voranschreitenden Verfall ablenken. Werner Pawloks Fotografien sind wie eine schiefgelaufene Zeitreise, stecken geblieben zwischen damals und heute. Zum einen zeigen sie den schier unglaublichen Reichtum der ehemaligen Zuckeraristokratie, zum anderen die Auswirkungen der Jahrzehnte langen Armut des kommunistisch regierten Inselstaates. Sie zeigen die Anbetung, die die Kubaner noch immer den Helden ihrer Revolution entgegenbringen, aber auch den Preis, den sie dafür zahlen – ein Leben, das von Entbehrungen geprägt ist. Denen begegnen die Kubaner und unter ihnen vor allem die Habaneros jedoch mit einer ungebrochenen Lebensfreude, die in Europa ihresgleichen sucht.


Tanz und Musik hinter bröckelnden Fassaden

Diese zeige sich auch in der Freundlichkeit und Offenheit der Kubaner, die Pawlok auf seinen Streifzügen nach guten Motiven häufig ohne zu zögern die Tür geöffnet hätten. Bei der Eröffnung seiner Ausstellung „Viva Cuba!“ in der Budapester Fotogalerie LUMAS erzählt er: „Ich hatte eine Bekannte in Kuba, die mir geholfen hat, Kontakt zu den Einheimischen zu knüpfen. Wir sind zusammen in Havanna herumgelaufen und ich hatte das Gefühl, dass sich da irgendwie noch mehr verbirgt hinter den bröckelnden Fassaden. Manchmal habe ich dann gesagt: ‚Hey, das sieht toll aus, lass uns dort mal anklopfen.‘ Und die meisten haben tatsächlich aufgemacht.“

Im Inneren der Häuser fand Pawlok jedoch weit mehr vor, als er sich vorstellen konnte: „Das war manchmal wie in einem Film, die Leute haben getanzt, es gab Musik, das war surreal.“

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Zwischen 2004 und 2015 besuchte Pawlok mehrmals Kuba. Dabei entstanden faszinierende wie einmalige Fotoserien. (Foto: Werner Pawlok)


Was Pawloks Innenaufnahmen aus den Ruinenpalästen Havannas gemein ist: sie sind menschenleer. Trotzdem scheinen sie einen lebendigen Eindruck derer zu vermitteln, die hier wohnen. Dem Fotografen ist es jedoch wichtig zu betonen, dass seine Bilder die Orte genauso zeigen, wie er sie vorgefunden hat: „Ich habe nichts verstellt, ich habe auch die Leute nicht bitten müssen aus dem Bild zu gehen, die wollten gar nicht darin sein. Ich habe auch nicht mit zusätzlichen Lampen gearbeitet. Es waren nur ich, meine Kamera und mein Stativ.“

Einen gewissen Grad an Nachbearbeitung räumt Pawlok aber doch ein: „Die Leute fragen mich immer, ob die Farben wirklich so leuchtend sind. Ja, das sind sie, aber sie sind auch am verblassen und ich versuche, ihnen das, was sie verloren haben, zurückzugeben.“

Doch wie kam der Autodidakt Werner Pawlok, der bereits 1977 mit 24 Jahren sein eigenes Fotostudio eröffnet hat und der Berühmtheit vor allem für seine Modefotografien und seine Portraits weltbekannter Persönlichkeiten – darunter Sir Peter Ustinov, John Malkovich, Roman Polański und Juliette Binoche – erlangte, dazu, eine Fotoserie über Kuba zu machen?

„Mitte der 80er habe ich in Ostberlin an einem Fotoprojekt gearbeitet. Damals hat mich dieser Ort fasziniert. Es war, als würde dort die Zeit stillstehen. Als ich 2004 nach Kuba kam, hatte ich dasselbe Gefühl. Da wusste ich, ich will damit arbeiten“, erinnert sich der Fotograf. Zwischen 2004 und 2015 stattet er dem Karibikstaat mehrere Besuche ab.


Keine naive Trauer um das „alte Havanna“

Dabei geht es Pawlok nicht etwa darum, Nostalgie zu schüren – dafür seien schon die Reisekataloge zuständig –, sondern darum, die Einzigartigkeit dieser der Vergänglichkeit preisgegebenen Metropole zu verinnerlichen. Auf Nachfrage der Budapester Zeitung, ob er befürchte, dass das „alte Havanna“, so wie es auf seinen Bildern zu sehen ist, schon bald nicht mehr existieren könnte, antwortet er: „Das wäre Blödsinn. Veränderungen gibt es überall, das ist ja sonst auch langweilig. Und wo kann ich heute bitte das ‚alte Budapest‘ sehen? Außerdem muss man an die Menschen dort denken. Die wollen natürlich, dass sich etwas verändert, dass ihr Land konkurrenzfähig bleibt. Da kann ich mich nicht naiv hinstellen und sagen, ich will, dass alles so bleibt wie es ist. Aber natürlich wünsche ich mir, dass sie sorgsam mit dem umgehen, was sie haben, erhalten, was sie erhalten können.“

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Am Eröffnungsabend führte Fotograf Werner Pawlok persönlich durch die Ausstellung. (Foto: Lumas)


Werner Pawloks Bilder werden voraussichtlich noch bis Ende des Monats in Budapest zu sehen sein. „Wir können kein verlässliches Enddatum benennen. Es kommt stark darauf an, wie schnell sich die Drucke verkaufen, aber ein paar Werke Pawloks haben wir eigentlich immer vor Ort“, erklärt Éva Wikonkál, Besitzerin der Budapester LUMAS-Galerie. Wer hier in Budapest dem Charme der kubanischen Ruinen auf die Spur gehen möchte, sollte sich also beeilen.


Ausstellung „Werner Pawlok: Viva Cuba!“ in der Galerie LUMAS

Budapest, V. Bezirk, Oktober 6 utca 21

Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 10 bis 18 Uhr

Anfragen unter +36-30-702-4330

Weitere Informationen finden Sie auf http://hu.lumas.com/artist/werner_pawlok/

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