Im Mittelpunkt stehen die teils privaten, teils öffentlichen Aufzeichnungen der ungarischen Forscher sowie ihrer Mitarbeiter. Zu sehen sind aber auch Fotografien, Karten, Ausrüstungsgegenstände und Artefakte, die sie aus Asien mitbrachten.

Sowohl Béla Széchenyi als auch Aurél Stein leisteten einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Seidenstraße, jenem legendären Handelsstraßennetz, das seit der Antike den Mittelmeerraum mit Asien verband. Ihre Expeditionen fanden aber vor jeweils recht unterschiedlichen Hintergründen statt.

Ein Adliger auf Forschungsreisen

Für Béla Széchenyi (1837 bis 1918) war die Seidenstraße nur eine von vielen Stationen auf seinen ausgedehnten Reisen. So besuchte er Nordamerika und Algerien bevor er sich zwischen 1877 und 1880 auf den Weg nach Indien, Japan, China, Tibet und in das heutige Myanmar machte. Als Sohn des Grafen István Széchenyi verfügte er über ein beträchtliches Privatvermögen, mit dem er seine Expeditionen selbst finanzierte.

Begleitet wurde er auf seiner Reise nach Innerasien von einer kleinen Gruppe Forscher. Darunter der Kartograf Gustav Kreitner und der Geologe Lajos Lóczy. Diese trugen in anschließenden Publikationen über die Expedition zum „wissenschaftlichen Teil“ bei, erläutert Ágnes Kelecsényi, die Kuratorin der Ausstellung „Ungarn und die Seidenstraße“.„Der Beitrag von Széchenyi lag dagegen in der ‚Geschichte‘. Er hat 200 Seiten über die Organisation und die Erfahrungen geschrieben.“

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Eine Landkarte von Innerasien, auf der auch die Dunhuang-Grotten zu sehen sind.

Darüber hinaus hätten weitere 20 Forscher an der Untersuchung und Auswertung der rund 700 Kilogramm Material mitgewirkt, die die Reisegruppe heimgebracht hatte, erzählt Kelecsényi. Es dauerte 20 Jahre bis die wissenschaftlichen Entdeckungen veröffentlicht wurden. Lajos Lóczy schrieb und veröffentlichte jedoch unmittelbar nach der Reise bereits Forschungstagebücher. Damit begeisterte er die Öffentlichkeit für die Expeditionen und sicherte weitere finanzielle Unterstützung für die wissenschaftlichen Untersuchungen. Diese Tagebücher sind in der aktuellen Ausstellung zu sehen.

Aurél Stein: Von Österreich-Ungarn über England bis in den Orient

20 Jahre nach Széchenyis Rückkehr machte sich auch Aurél Stein (1862 bis 1943) erstmals nach Asien auf. Den Sohn aus bürgerlichem Hause bereitete eine lange akademische Laufbahn auf diese Erfahrung vor: Er studierte in Wien, Leipzig sowie Tübingen orientalische Sprachen und Archäologie, promovierte in Altpersisch und Indologie. Nach dem Studium arbeitete er für das Britische Museum in Oxford. Ab Ende der 1880er war er Leiter des orientalischen Instituts an der Universität Lahore in Indien, wo er Texte aus alten Sprachen übersetzte. Während seines Schaffens unternahm er gleich mehrmals ausgedehnte Expeditionen nach Asien. So etwa in den Jahren 1900 bis 1901, 1906 bis 1908, 1913 bis1916 und 1930.

„Die Expeditionen wurden zeitlich immer länger und länger und auch räumlich deckte Stein immer größere Gebiete ab“, erklärt Ágnes Kelecsényi, die auch Leiterin des orientalischen Instituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften ist. Seine letzte Expedition im Jahre 1930 scheiterte jedoch. Die Regionen entlang der Seidenstraße fürchteten den Raub ihrer Kulturgüter und ließen keine Forschung mehr zu. Stein widmete sich daraufhin der Erforschung des Iraks und Irans. 1943 starb er während einer Expedition in Kabul.

Finanziert wurden Steins Asienreisen vom Britischen Museum und der indischen Regierung bei der Stein ab 1899 angestellt war. Alle Fundstücke wurden anschließend zwischen Indien und England aufgeteilt, weshalb sich heute keine dieser Artefakte im ungarischen Besitz befinden. Von Steins Expeditionen sind in der aktuellen Ausstellung daher vorwiegend Fotografien und handschriftliche Tagebucheinträge des Forschers zu sehen.

Die Erforschung der Dunhuang-Grotten

Obwohl Aurél Stein und Béla Széchenyi auf wissenschaftlichem Gebiet niemals zusammenarbeiteten, waren sie doch miteinander bekannt und tauschten sich über ihre Erfahrungen aus. Der Geologe Lajos Lóczy, der Széchenyi auf seiner Reise begleitet hatte, brachte die beiden zusammen.

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Die Reisegruppe mit Stein und seinen Assistenten bei Ulugh-Mazar.

Die Bedeutung der Forschungsreisen der beiden Ungarn für die Wissenschaft schätzt Ágnes Kelecsényi wie folgt ein: „Alle Expeditionen waren sehr wichtig und ihre Entdeckungen außergewöhnlich. Doch besonders die Erforschung der Dunhuang-Grotten war eine Sensation. Dort wurden wie in einer Zeitkapsel 40.000 Dokumente – mehrere Kubikmeter an Dokumenten – aus dem fünften bis zehnten Jahrhundert gefunden. Das ist unbeschreiblich. Es waren Texte in allen Sprachen der Seidenstraße.“ Unter den Dokumenten, erzählt die Kuratorin, seien verschiedene Schriftstücke wie Verträge, Briefe und Testamente gewesen. Bei den Dunhuang-Grotten handelt es sich um verschiedene buddhistische Höhlentempel im Gebiet der alten Oasenstadt Dunhuang. Zu ihnen konnte man zur damaligen Zeit über zwei Routen gelangen.

Obwohl der Weg im Norden einfacher zu bestreiten war, entschied sich Stein für den südlichen Weg. Dieser führt durch die Taklamakan-Wüste und hohe Gebirgszüge. Die Wegbeschreibungen des Forschers trugen ebenfalls zu neuen Erkenntnissen über die Gegend bei. Angekommen in Dunhuang nahm Stein die Höhlentempel in Augenschein, die von buddhistischen Mönchen einst in den Sandstein geschlagen worden waren und zur Meditation und als Schrein dienten. Die meisten sind mit Illustrationen verziert. Diese enthalten Symbole und Darstellungsformen verschiedenster Länder und Kulturen. Ágnes Kelecsényi erklärt: „Was die Seidenstraße zu einem so interessanten Phänomen macht, ist nicht der Handel, sondern das Zusammentreffen der östlichen und westlichen Kultur.“ Neben einem Handelsweg für Güter war die Seidenstraße demnach auch ein Ort des religiösen, kulturellen, sprachlichen und technologischen Austausches, so die Kuratorin.

Kultur im ehemaligen Pumpenhaus

Das versucht auch die Ausstellung „Ungarn und die Seidenstraße“ zu verdeutlichen, in der Besucher außergewöhnliche Aufzeichnungen und Berichte über die Erforschung der Seidenstraße ansehen und erleben können.

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Der leere Ausstellungsraum im Erdgeschoss des Ybl Budai Kreatív Ház.

Sie ist ein gutes Beispiel für die Ziele und Schwerpunkte des Ybl Budai Kreatív Ház, welches asiatische und ungarische Inhalte verknüpfen möchte. Im Mai 2018 eröffnete das Kultur- und Veranstaltungshaus am Ybl Miklós tér 9 im ehemaligen „Pumpenhaus“. Das aufwendig gestaltete Gebäude diente ursprünglich dazu, die Budaer Burg täglich mit rund 24.000 Litern Wasser aus der Donau zu versorgen. Entworfen wurde der 1876 fertiggestellte Bau von Miklós Ybl, einem der wichtigsten Vertreter des Historismus in Ungarn, zu dessen bekanntesten Werken die Budapester Staatsoper zählt.

Das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigte Haus beherbergte im Laufe der letzten Jahrzehnte verschiedene Restaurants, einen Tanzclub und zuletzt sogar ein Kasino. Ab 2009 stand es für einige Jahre leer, bis es 2016 von der zur ungarischen Nationalbank gehörenden Pallas-Athéné-Stiftung gekauft wurde. Es folgten großangelegte Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten. Das Haus wurde nicht nur äußerlich verändert, sondern erhielt auch eine neue Funktion. Das Ybl Budai Kreatív Ház soll als kulturelle Begegnungsstätte dienen und wurde dafür so umgebaut, dass es Ausstellungs- und Veranstaltungsräume, eine Terrasse und ein Café beherbergt. Die Loggia des Gebäudes wurde verglast und kann nun auch im Winter genutzt werden. Das Café im Stil der Renaissance wurde beibehalten. Die Ausstellungsräume dagegen gestaltete man möglichst schlicht. Seit letztem Jahr sind die Renovierungsarbeiten im Kreatív Ház abgeschlossen.

Ein Haus, viele Funktionen

Im Gespräch mit der Budapester Zeitung beschreibt Programmdirektorin Kata Kaiser die Intention des Hauses wie folgt: „Das Hauptziel ist es, ein bekanntes kulturelles Zentrum für ungarische zeitgenössische und asiatische Kultur zu werden.“ So haben viele Veranstaltungen einen Asienbezug und alle Texte im Ausstellungsraum sind neben Englisch und Ungarisch auch auf Chinesisch ausgeschrieben. Kata Kaiser konnte schon seit den Restaurationsarbeiten bei der Gestaltung des Kreatív Ház mitwirken. Die Räume wurden so eingerichtet, dass sie „nicht nur für Bilder und Skulpturen, sondern auch für größere Installationen geeignet sind“, sagt sie.

Das vielfältige Angebot des Hauses wird am Beispiel eines fünftägigen Festivals im November 2018 deutlich: Die Veranstaltung umfasste Arbeiten von sechs koreanischen zeitgenössischen Künstlern und wurde durch Buchvorstellungen, Jazz-Konzerte, Kalligrafie-Workshops, Filmvorführungen und eine Lesestunde für Kinder begleitet.

Bei den Ausstellungen arbeite das Kreatív Ház mit innovativen Gestaltungsmitteln, so Kaiser. Damit gemeint sind etwa Bildschirme, Projektionen und die Möglichkeit, Informationen auch über das Smartphone abzurufen. Dies sei insbesondere bei den jungen Besuchern beliebt. Trotzdem stehen für Kata Kaiser die Arbeiten und die Wünsche der Künstler im Mittelpunkt: „Zuerst konzentrieren wir uns auf die Künstler und danach können wir uns damit befassen, die Ausstellungen interaktiver zu gestalten.“ Die meisten Besucher seien Touristen, aber auch Einheimische würde es in die Ausstellungen ziehen.

Für das Jahr 2019 sind bereits weitere Ausstellungen mit den ungarischen Künstlerinnen Eszter Csurka und Judit Reigl geplant. Doch auch geschichtliche oder wissenschaftliche Inhalte mit Bezug zu Asien wie aktuell in der Ausstellung „Ungarn und die Seidenstraße“ sollen immer wieder für ein breites Publikum aufbereitet werden. Geplant sei, jedes Jahr eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit der ungarischen Akademie der Wissenschaften durchzuführen.


Budai Kreatív Ház

Budapest, I. Bezirk, Ybl Miklós tér 9

Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag, 8 Uhr bis 22 Uhr

Anfragen unter +36-30-735-5041 oder ybl@budaikreativhaz.hu

Weitere Informationen finden Sie auf www.budaikreativhaz.hu

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