Am Mittwoch der vergangenen Woche verbreitete die amtliche Nachrichtenagentur MTI eine Pressemitteilung der Talentis Group Zrt. von Lőrinc Mészáros, wonach diese mehrere Verlagsgesellschaften übernommen habe. All die Namen der Medien aufzuzählen, die mittlerweile zum Medienimperium des Statthalters von Ministerpräsident Viktor Orbán gehören, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen – laut Presseberichten sollen es augenblicklich 476 Titel (!) sein. Für die Tragweite der jüngsten Operation spricht, dass sowohl die von uns als Regierungsorgan titulierte Tageszeitung „Magyar Idők“ und ein überregionales Radio als auch eine Verlagsgruppe mit dem Fokus des ländlichen Raums und der dort auflagenstärksten Wochenzeitung („Szabad Föld“) einverleibt wurden.

Holdingmodell soll nachhaltigen Betrieb garantieren

Dabei wurde im Hintergrund eine andere Zielstellung verfolgt, denn noch am gleichen Tag übergab Mészáros sein komplettes Medienimperium in Form einer Spende an eine gerade erst ins Leben gerufene Stiftung, um „auf lange Sicht die nationalen Werte und Traditionen zu bewahren, die Rolle der konservativen Medien in der Meinungsformung zu stärken und eine möglichst breit gefächerte Information der Öffentlichkeit sicherzustellen“. Die von dem Medien-Zar auserkorene Mitteleuropäische Presse- und Medien-Stiftung (KESMA) stelle eine Medienholding nach internationalem – konkreter: skandinavischem – Vorbild dar, mit der die Geschlossenheit der konservativen Medien symbolisiert werden soll. Diese Einheit stehe im Kontrast zu den Zerfallserscheinungen im linksliberalen Lager, dessen Medien nicht selten am Tropf ausländischer Geldgeber hängen. Demgegenüber solle das Holdingmodell einen nachhaltigen Betrieb garantieren, wo es nicht um Gewinnmaximierung gehe und die Existenz der Mitarbeiter nicht in Frage gestellt werde.

Neben dieser offiziellen Darstellung gibt es am Markt natürlich auch Einschätzungen von Seiten jener Medien, die insofern garantiert als „unabhängig“ betrachtet werden können, weil sie sich nicht „freiwillig“ unter den Schutzschirm der KESMA-Stiftung begeben haben. Aus dieser Richtung ist zu vernehmen, dass Ministerpräsident Viktor Orbán die Nase voll hatte von der Selbstbedienungsmentalität, die im „konservativen“ Medienlager um sich gegriffen haben soll.

In den letzten Jahren hatte die Regierung in Zusammenarbeit mit den Behörden (Medienaufsicht, Kartellamt) verschiedene Oligarchen in Stellung gebracht, um das wahre oder unterstellte Übergewicht des linken und liberalen Lagers zu kompensieren. Der Filmemacher Andy Vajna erhielt das Privatfernsehen TV2 als Gegenspieler zum RTL Klub. Die Direktorin des Terrorhausmuseums, Mária Schmidt, kaufte das Wirtschaftsmagazin „Figyelő“ und entwickelte es als Pendant zum linksliberalen Wochenmagazin HVG. Lőrinc Mészáros richtete das Boulevardblatt „Bors“ gegen Marktführer „Blikk“ (RingierAxelSpringer) aus, und Propagandaexperte Árpád Habony sollte mit „Lokál“, „888“ & Co. weitere Teile des Marktes abdecken. Einst unterstanden die Fidesz-Medien in der Person des früheren Kassenwartes aus Oppositionszeiten, Lajos Simicska, einem einzigen Mann, der sich jedoch 2015 „selbständig“ machte und diese geballte Medienmacht plötzlich gegen den Ministerpräsidenten auszuspielen versuchte. In dem neuen, dezentralisierten Modell ging es Orbán deshalb darum, verschiedene Gruppen zu installieren, die jede für sich kein gefährliches Gewicht erreichen würden.

Orbán schließt „Zahlstelle“ von Oligarchen

Schon bald nach dem neuerlichen Triumph bei den Parlamentswahlen im Frühling war jedoch zu vernehmen, den Ministerpräsidenten irritiere, wie einzelne von ihm in Position gebrachte Oligarchen ihre mit staatlichen Werbeaufträgen vollgestopften Medien als Zahlstelle für den Freundeskreis missbrauchen. Die Installation der KESMA-Stiftung darf als logische Reaktion auf diese Erscheinungen gedeutet werden, und nicht nur Orbán-Freund Mészáros unterstellte sein Medienimperium automatisch der neuen Stiftung, alle anderen Gruppen des national-konservativen Lagers folgten ihm auf dem Fuße.

Was könnte die Allmacht des Premiers stärker zum Ausdruck bringen, als diese blinde Gefolgschaft seiner Oligarchen, die bislang zumindest auf dem Papier und hinsichtlich ihres Finanzgebarens eine eigene Linie verfolgen konnten? Noch mehr als das hat Orbán vom Hintergrunddeal nicht einmal die Sozialisten ausgeklammert, deren Schatzmeister László Puch mit „Szabad Föld“ die auflagenstärkste Wochenzeitung für Leute vom Lande aufgab, um dem Vernehmen nach die politische Tageszeitung „Népszava“ zu retten.

Im Ergebnis der neuesten Verschiebungen am Medienmarkt finden die „Sandkastenspiele“ der dem Ministerpräsidenten zwar im Geist nahestehenden, aber letztlich doch nur (überwiegend ineffizient) Milliarden an Steuergeldern verprassenden Oligarchen ein Ende. Der Fidesz wird auf ironische Anmerkungen der Opposition im Parlament auch weiterhin mit dem bewährten Hinweis auf ein linksliberales Medienübergewicht und das Soros-Netzwerk reagieren. Tatsächlich sind den „Linken“ der führende kommerzielle TV-Sender RTL Klub und die immer noch auflagenstärkste Boulevardzeitung „Blikk“ verblieben. Im täglichen Printmedienwald findet sich die sozialistische „Népszava“ nicht einmal in der TOP10, verdrängt von nicht wenigen Regionalzeitungen von „Kisalföld“ bis „Délmagyarország“, die allesamt zum Mészáros-Imperium gehören.

Edle Gründungsgedanken

Die KESMA-Stiftung ist mit dem edlen Gedanken angetreten, die ungarische Pressekultur am Leben zu erhalten. Nach ihrer Überzeugung wird sie den Lesern dienen und gleichzeitig eine bürgerliche Werteordnung repräsentieren. Aus dem Nonprofit-Charakter der Stiftung wiederum folgt, dass die Einnahmen der vielen zugehörigen Wirtschaftsgesellschaften für jene Zwecke verwendet werden, die in der Stiftungsurkunde niedergelegt sind. Außerdem solle die Stiftung dazu beitragen, dass vorhandene Synergien der beteiligten Medien etwa beim Anzeigenverkauf, der Inhaltserstellung oder auch der Deckung des Bedarfs an Büroflächen bestmöglich ausschöpft werden. Die Betreiber der außerhalb der halbstaatlichen Megaeinrichtung verbliebenen, gewissermaßen freien Medien dürfen sich warm anziehen.

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