Ein Besuch im Gundel gleicht immer auch ein wenig einer Zeitreise: Der große Gastraum im Stil der Jahrhundertwende, mit seinen schweren blauen Polsterstühlen und Kanapees, den Jugendstillampen und dem mit Goldornamenten verzierten Teppich beschwört die goldenen Zeiten der Donaumonarchie herauf. Ohne Mühe kann man sich vorstellen, dass das Gundel Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem der exklusivsten Restaurants in ganz Europa zählte. Man meint, es regelrecht vor sich zu sehen, wie sich die Crème de la crème der damaligen Gesellschaft hier zum kulinarischen Stelldichein traf. Einen ähnlich historischen Charme versprüht auch der Garten des Gundels. Diesen erreicht man entweder durch die Hintertür der Villa oder direkt durch ein separates Tor, von dem aus ein kleiner Weg direkt ins lauschige Grün und zur Terrasse des Restaurants führt. Unter Sonnenschirmen – ebenfalls im charakteristischen Gundelblau – und Baumwipfeln, zwischen Kübel-Palmen und blau-weißen Tischdecken genießt man dort die schwächer werdenden Sonnenstrahlen. Hier begrüßt uns auch Peter Knoll, der als Nachfolger von Attila Bándoli seit fast acht Monaten die Geschicke des 1894 eröffneten Restaurants leitet.

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Seit Anfang Februar steht mit Peter Knoll wieder ein Deutscher an der Spitze der Gundel Kft.

Eine Restaurantlegende im Wandel der Zeit

„Ich bin bereits der zweite Deutsche an der Spitze des Gundels“, scherzt Knoll und spielt damit auf die Herkunft des legendären Gründers und Namensgebers, Karl Gundel, an. Dessen Vater, Johann Gundel, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts im bayrischen Ansbach geboren und kam als junger Mann nach Budapest. Dort legte er ab 1879 die Grundsteine für das Gastroimperium der Familie, dessen Kronjuwel ab 1910 unter der Leitung seines Sohnes das heutige Restaurant Gundel werden sollte. Karl Gundel gilt bis heute als ein Visionär auf dem Gebiet der ungarischen Gastronomie. Er schaffte es, traditionelle ungarische Gerichte auf das Niveau einer raffinierten Küche von Weltrang zu heben und kreierte zudem zahlreiche neue Speisen.

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Unter ihnen dürften die Gundel-Palatschinken mit ihrer Füllung aus Rosinen, Walnuss und Rum wohl zu den bekanntesten zählen. Nach der Verstaatlichung des Restaurants unter den Kommunisten und dem Tod von Karl Gundel begann der Glanz des ehrwürdigen Hauses jedoch etwas zu verblassen. Trotzdem blieben die Ungarn ihrem Gundel treu und wehrten sich selbst gegen den Versuch, dem Restaurant einen neuen, „systemkonformen“ Namen zu verpassen. „Es weiß heute kaum jemand, aber zu sozialistischen Zeiten gab es wohl zwei, drei Wochen, in denen das Gundel nicht Gundel hieß. Doch der Widerstand war so groß, dass man den Versuch aufgab“, erklärt Peter Knoll. Nach der Wende gelangte das Gundel unter der Ägide der Geschäftsmänner Ronald S. Lauder und George Lang, die das Restaurant 1991 vom Staat zurückkauften, erneut zu internationalem Ansehen, zählte um die Jahrtausendwende herum sogar erneut zu den besten Restaurants der Welt. Bekannte Persönlichkeiten wie Königin Elisabeth II., Papst Johannes Paul II. und Hillary Clinton dinierten hier. Erst kürzlich schaute auch Arnold Schwarzenegger im Restaurant vorbei.

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Keine Revolution, sondern eine Evolution des Gundel

Wer meint, eine traditionsreiche Marke mit einem Ruf, der weit über die Landesgrenzen hinaus reicht, sei ein Selbstläufer, der irrt. Peter Knoll, der mehr als 30 Jahre Erfahrung im Hotel- und Gastgewerbe mitbringt, weiß, dass Stillstand oft den Niedergang großer Häuser besiegelt: „Ein Konzept von 1910 oder 1920 wäre heute nicht mehr tragbar. Auch, weil sich die Ansprüche und die Wünsche der Gäste verändert haben.“ Er ist daher mit dem Ziel angetreten „zwar die Geschichte und die Traditionen des Gundels zu bewahren, aber mit etwas Neuem zu untermalen.“ Eine Evolution und Aktualisierung des Gastronomiekonzeptes auf den heutigen Stand also, statt einer handfesten Revolution.

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Chefkoch Zsolt Litauszki ist an Bord gekommen, um die Traditionen Karl Gundels in zeitgemäße Kulinarik zu übersetzen.

Doch auch das ist in Anbetracht der mehr als hundertjährigen Geschichte des Restaurants keine leichte Aufgabe: „Fast jeder hat in irgendeiner Weise eine emotionale Bindung und eine eigene Vorstellung vom Gundel. Das macht Erneuerung schwierig“, erklärt Knoll. Um das Restaurant trotzdem „ins 21. Jahrhundert zu bringen“, hat er sich daher Verstärkung geholt: Zum einen durch Chefkoch Zsolt Litauszki, der seit Kurzem das kulinarische Konzept der gesamten Gundel Kft. – zu der neben dem Gundel Restaurant auch das Bagolyvár sowie das Gundel Catering gehören – betreut. Mit seiner Hilfe soll das eh schon hohe Niveau der Speisen, auf das nächste Level gebracht werden. Natürlich braucht es auch hier Behutsamkeit: „Es gibt Gerichte, die stets auf dem Menü bleiben werden, dazu gehören Gulaschsuppe, die Gundel-Palacsinta und insbesondere die Gänseleber – schon immer einer der Topseller des Gundels, weil man hier von Anfang an Qualität geboten hat. Allerdings bringt es nichts, einfach die Originalrezeptur neu aufzulegen, deshalb hat Zsolt für uns das Rezept nach seinen Vorstellungen überarbeitet“, erklärt Knoll.

Allgemein wolle das Gundel zu einem Menü finden, dessen Gerichte zwar an die alten Traditionen anknüpfen, die in ihrer Ausführung jedoch zeitgemäßer, sprich weniger schwer, dafür aber raffinierter, sind. Das heißt auch verstärkt auf Saisonalität zu achten. „Mit dem 18. September haben wir deshalb in unser Herbstmenü gewechselt“, so Knoll.

Business Lunch im Stadtwäldchen

Neben der Küche möchte der neue Geschäftsführer aber auch den Gundel-Service an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anpassen: „Das soll nicht heißen, dass wir unser Personal jetzt in moderne Uniformen stecken werden“, so Knoll. Auch serviert wird nach wie vor auf edlem ungarischem Porzellan der Marke Zsolnay. „Aber die Gäste heute sind viel offener, sie gehen ins Restaurant und wollen etwas Neues probieren. Das beeinflusst auch die Interaktion mit dem Kellner, von ihm erwartet der Gast heute viel mehr Beratung.“ Damit die Nachricht von der Evolution des Gundels auch die breite Öffentlichkeit erreicht, hat sich Peter Knoll aber auch Verstärkung von PR-Expertin Barbara Angelus geholt. Ihr ist vor allem wichtig, die Wahrnehmung des Restaurants zu verändern. „Natürlich ist das Gundel ein besonderes Restaurant. Hier kommt man nicht einfach nur hin, um zu essen, sondern für das Erlebnis. Wir wollen allerdings, dass die Leute sehen, dass nicht unbedingt nur die Hochzeit oder der 70. Geburtstag einen Anlass dafür darstellen. Auch eine gelungene Woche, ein guter Business-Deal oder ein besonderes Rendezvous können ein Grund sein, sich diesen alltäglicheren Luxus zu leisten“, so Angelus.

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Auch die Tatsache, dass das Gundel täglich zwischen 12 und 15 Uhr ein hervorragendes Mittagsangebot bietet, möchte sie bekannter machen: Mit 6.500 beziehungsweise 7.900 Forint für ein dreigängiges Mittagsmenü, welches auch schon mal Leckereien wie gebackene Entenherzen bereithält, bekommt man im Gundel einiges für sein Geld geboten. Eine gute Option für ein eleganteres Geschäftsessen. Vor allem möchte Angelus mit ihrer Arbeit aber raus aus der Box: „Das Gundel möchte nicht mit den Sterne-Restaurants konkurrieren, die vor allem diejenigen ansprechen, denen in erster Linie die Speisen wichtig sind. Unsere Zielgruppe sind eher diejenigen, die die Kombination von hervorragenden Gerichte, erstklassigem Service und wunderschönem Ambiente schätzen“, so die Kommunikationsexpertin. „Unser Ziel ist es, dass wir als Traditionshaus mit moderner Note wahrgenommen werden, wo gleichermaßen Essen, Service und Ambiente als Gesamterlebnis geboten werden. Unser Haus steht gegen einen Trend, bei welchem nur der Teller im Vordergrund steht“, ergänzt Knoll den Gedanken seiner Kollegin.

125 Jahre Gundel

Doch Veränderungen brauchen ihre Zeit. Peter Knoll vergleicht das 1894 eröffnete Restaurant mit einem Tanker, der schon ewig auf dem Ozean schwimmt. Auch dort kann man nicht einfach das Ruder herumreißen und eine sofortige Kehrtwende bewirken. Und so wird auch eine Neujustierung des Gundels graduell verlaufen. „Dieses Restaurant lässt sich nicht einfach über Nacht verändern. Deswegen hat das Gundel aber auch so lange überlebt. Es fußt auf einem stabilen Konzept.“ Dass er den Koloss „Gundel“ nun als Kapitän in Richtung Zukunft steuern darf, ist für Knoll eine persönliche Herausforderung und Ehre zugleich. Auch, weil sich im kommenden Jahr zum 125. Mal die Eröffnung des traditionsreichen Restaurants jährt. Das soll natürlich gebührend gefeiert werden, so viel verrät uns Peter Knoll vorab. Die Details für die Jubiläumsfeierlichkeiten behält er jedoch für sich – vorerst jedenfalls noch.

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Restaurant Gundel

Budapest, XIV. Bezirk, Gundel Károly út 4

Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 12 bis 23 Uhr, Freitag und Samstag bis Mitternacht, sonntags 11.30 bis 15 Uhr (Brunch) und 19 bis 23 Uhr

Reservierungen unter +36-1-889-8111

Weitere Informationen finden Sie auf gundel.hu

Preise

Vorspeisen: .........2.900 bis 9.500 Forint

Hauptgerichte:...5.900 bis 19.500 Forint

Seine Karriere begann Peter Knoll einst mit einer Ausbildung als Koch. Anschließend

absolvierte er ein duales Studium in Köln und Villingen. Bereits 1995 zog es Knoll erstmals

nach Budapest als Rooms Division Manager später Director of Sales and Marketing

im Kempinski Hotel Corvinus. Zwischen 1999 und 2001 leitete er das exklusive Boutique-

Hotel Hempel in London. Danach ging es für ihn zwei Jahre nach St. Petersburg,

ins Grand Hotel Europe. 2003 kehrte Knoll als stellvertretender Direktor für die Eröffnung

des Corinthia Hotel Budapest für drei Monate in die ungarische Hauptstadt zurück. Es

folgten weitere Stationen in Tallinn, dann erneut Budapest, Prag, Kroatien und Akaba

(Jordanien). Zuletzt leitete Knoll das Hotel Palais Hansen Kempinski in Wien.

Auch wenn ihn seine Karriere an viele Orte der Welt gebracht hat, habe er Ungarn

doch nie ganz verlassen. „Ich bin über die Jahre immer mit dem Land verbunden geblieben“,

so Peter Knoll.

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