In Gabi Palánkis Make-Up-Studio reihen sich an der Wand Schminktisch an Schminktisch. Vor jedem hängt ein großer Spiegel. Obwohl das Zimmer von ausreichend Tageslicht erhellt wird, sorgen zusätzliche Lampen dafür, dass sich hier wirklich jeder von seiner Schokoladenseite sieht, ganz ohne störende Schatten. Auf einem großen Tisch an der gegenüberliegenden Wand hat die geübte Maskenbildnerin und Beauty-Unternehmerin bereits ihre gesamte Produktpalette ausgebreitet. Darunter Lidschatten, Grundierungen, Peelings, Rouges und Lippenstifte in den unterschiedlichsten Schattierungen – vom zarten Rosé über ein eher knalliges Barbiepink bis hin zum klassischen Rot und einem verführerischen dunklen Himbeerton mit dem Namen Valentina. „Meine derzeitige Lieblingsfarbe“, erklärt Palánki. Die quirlige Mittdreißigerin liebt Make-Up und alles was damit im Zusammenhang steht. „Ich war schon immer verrückt nach Schminke. Ich habe mir alle möglichen Produkte gekauft und wann immer etwas Neues auf den Markt kam, musste ich es unbedingt haben. Auch dafür, wie Make-Up hergestellt wird, habe ich mich schon früh interessiert.“

„In Ungarn gibt es bisher keine Kosmetikindustrie“

Vor knapp vier Jahren gründete Gabi Palánki ihre eigene Make-Up-Marke, Kell A Púder. „Ich arbeite seit vielen Jahren als Maskenbildnerin für große Fotoshoots, aber auch für Events und Hochzeiten. Dabei fragen mich meine Klienten natürlich immer, ob ich ihnen bestimmte Produkte empfehlen kann, am Ende des Tages gehen sie dann meist mit einer ganzen Einkaufsliste nach Hause“, erzählt Palánki. „Irgendwann habe ich mich dann gefragt, warum mache ich hier eigentlich immer Werbung für fremde Produkte, ich sollte lieber gleich meine eigene Marke entwickeln.“ Schon vor rund sechs Jahren begann die energische Ungarin daher mit ihren eigenen Produkten zu experimentieren – was, wie sich herausstellte, gar nicht so einfach war.

„In Ungarn gibt es einfach keinerlei Kosmetikindustrie. Es gibt hier weder die Maschinen, noch die Ausgangsstoffe noch das Know-how. Die einzigen Chemielabors, die sich in Ungarn mit Schönheitspflege befassen, sind auf Cremes spezialisiert, und auch davon gibt es gerade einmal fünf“, schildert Palánki die schwierige Ausgangslage in ihrer ungarischen Heimat. Ihre ersten Produkte, mineralisch glänzende Lidschatten, lies sie daher in Großbritannien herstellen. „Die Entwicklung war natürlich nicht einfach. Durch meinen Job hatte ich aber bereits Kontakte zu bestimmten Herstellern. Nachdem ich mit ihnen besprochen hatte, was für Produkte ich gerne möchte, haben sie Proben hergestellt, die haben sie mir zugeschickt, ich habe sie ausprobiert und ihnen Feedback zurückgeschickt, sie haben neue Proben erstellt und so weiter, bis wir beim endgültigen Produkt angekommen waren“, erinnert sich Palánki.

Neben Lidschatten beginnt Palánki bereits in der Anfangszeit der Marke auch mit Rouges und Grundierungen zu experimentieren. Relativ schnell kamen dann auch Schminkpinsel hinzu – heute eine der wichtigsten und erfolgreichsten Produktlinien der Marke. Die Pinsel gibt es in allen möglichen Formen, je nach Funktion. Sie alle sind von Gabi Palánki selbst entworfen. „Ich habe in meinem Beruf mit vielen verschiedenen Pinseln gearbeitet und deshalb wusste ich, was mir bei meinen Pinseln wichtig sein würde.“ Nach Palánkis Ansicht sollten diese wichtigen Utensilien vor allem ein bestimmtes Gewicht haben, damit sie gut in der Hand liegen, aber auch auf die Weichheit des Pinsels und die Borstendichte kommt es an, und der Stiel sollte aus Holz, nicht etwa aus Plastik sein.

Hergestellt werden ihre Pinsel in China. „ich weiß noch, am Anfang habe ich den Herstellern handgemachte Zeichnungen zugeschickt, um klar zu machen, wie genau die Pinsel aussehen sollen“, lacht Palánki.

Anders als viele andere Make-Up-Marken hat sich die Ungarin zudem dafür entschieden, keine Tierhaare zu verwenden, sondern hochwertige Synthetikfasern. Im Allgemeinen versucht Kell A Púder vegan zu sein. „Mit wenigen Ausnahmen: Einzelne Produkte enthalten etwa Honig oder Honigwachs“, so Palánki. Zudem käme die Marke ohne Tierversuche aus. Auch auf Alkohol und Duftstoffe verzichtet sie.

Eine ungarische Marke – zwischen Skepsis und Heimatliebe

Doch wie schafft man es als kleine, ungarische Außenseitermarke, auf einem von einigen Multis dominierten Markt auf sich aufmerksam zu machen? Einfach ist es sicher nicht. Palánki holt tief Luft: „Anfangs haben wir natürlich unsere Produkte an unzählige Beauty-Blogger rausgeschickt, später auch an alle möglichen Mode- und Lifestyle-Magazine. Die Reaktionen waren ganz unterschiedlich. Von einigen spürten wir eine starke Zurückhaltung. Die dachten ‚Was, eine ungarische Marke? Ob das gut sein kann?‘.“ An dieser Stelle muss Palánki kurz über das Misstrauen ihrer Landsleute lachen, bevor sie fortfährt, „aber von vielen spürten wir auch Begeisterung darüber, dass es eben endlich auch eine Marke aus Ungarn gibt. Es wurden dann zahlreiche Artikel über uns geschrieben und wir wurden immer bekannter.“

Gabi Palánki (37) will mit ihrer kleinenungarischen Marke den internationalen Kosmetikriesen Konkurrenz machen.

Dass man ein ungarisches Produkt vor sich hat, sieht man den Pinseln, Lippenstiften und Co. auf den ersten Blick nicht an. Mit dem eleganten, schlichten Design, das hauptsächlich in Schwarz gehalten ist und meist nur vom Markenlogo, den drei weißen Großbuchstaben KAP, geziert wird, könnten die Produkte von Kell A Púder glatt mit großen internationalen Marken wie etwa M.A.C. mithalten. Einzig der doch sehr ungarische Name verrät, dass es sich hier nicht um die neue Make-Up-Serie eines Multis handelt. Doch woher stammt „Kell A Púder“ überhaupt? „Meine Schwester hat mir den Namen gegeben. Es ist eine Art Insiderwitz. Viele denken, das Make-Up zum Schluss mit transparentem Puder zu fixieren, sei ein überflüßiger Schritt und würden es lieber weglassen, ich musste als Profi dann immer darauf bestehen: Doch, kell a púder! (dt.: es braucht Puder). So ist es zum Markennamen gekommen.“ Abgekürzt als KAP sind Palánkis Produkte jedoch auch mit internationalen Kunden kompatibel.

Über die Jahre hat die Make-Up-Expertin die Angebotspalette ihrer Marke immer weiter ausgebaut. Neben Lidschatten, Rouges, Grundierungen und Pinseln, brachte sie bald auch Lippenstifte und Lipgloss auf den Markt. Nicht alle Produkte waren immer ein Erfolg, so floppte etwa der Lipgloss und verschwand wieder aus der Make-Up-Linie. Dafür gelangte Palánki 2015 mit einem Beauty-Blender eine wahre Erfolgslandung. Der eiförmige Make-Up-Schwamm, mit dem man die Schminke so verwischen können soll, dass es keine verräterischen Linien gibt, gehört heute schon zu den „Basics“ in jedem Badezimmer, doch vor drei Jahren war das ulkige Ding gerade erst im Kommen und KAP dem Trend um Nasenlänge voraus.

Jedes Jahr bringt Palánki zwischen vier und fünf neue Produkte auf den Markt. Das ist jedes Mal eine große Entscheidung, schließlich ist es stets eine größere Investition und der Geschmack der Konsumenten nicht immer genau vorhersehbar. Im Gegensatz zu den Multis, die in immer kürzeren Zyklen möglichst exotische und trendabhängige Produkte herausbringen, will sich Palánki lieber auf eine eher konservative Palette an Basisprodukten konzentrieren. Das gilt auch für die Farbpalette bei Lippenstiften und Lidschatten. „Am Anfang konzentriere ich mich auf zwei, drei Farben, die möglichst vielen Leuten mit unterschiedlichen Teints und Gesichtsformen stehen, dann nehme ich noch ein paar verrücktere Farben für besondere Anlässe hinzu.“ Nach Ansicht der Expertin sollten es nie zu viele Schattierungen sein. „Am Anfang habe ich den Fehler gemacht, so viele Farbtöne wie möglich herauszubringen. Wir hatten 70 verschiedene Lidschatten, da konnte man sich gar nicht mehr entscheiden. Wir wollen die Auswahl nun auf neun reduzieren.“

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Ein eigener Laden und heimische Produktion

Und wo sieht Palánki ihre Marke in fünf Jahren? Die Unternehmerin hat viele Träume, aber auch konkrete Ziele. So ist eine ausstehende Frage etwa die nach den Vertriebskanälen. Bisher kann man die Produkte nämlich nur im Internet über den KAP-Webshop erwerben oder persönlich im Budapester Studio der Marke. Hier, in der Bartók Béla út 25, empfängt und berät Gabi Palánki ihre Kunden und Kundinnen jeden Freitag zwischen 9 und 19 Uhr persönlich. Eine Voranmeldung ist nicht notwendig. Es kann nach Lust und Laune ausprobiert werden und wer vor Ort kauft, bekommt dabei auch noch zehn Prozent Rabatt.

Darüber hinaus beteiligt sich KAP zwei-, dreimal im Jahr an einem Pop-Up-Shop in der Pester Innenstadt. Doch Palánki träumt von einer eigenen kleinen Boutique, irgendwo in prominenter Lage. „Am Flughafen wäre toll oder in der Nähe der Váci utca, wo es auch viel internationales Publikum gibt“, so die KAP-Gründerin. Die richtige Positionierung am Markt nimmt sie besonders ernst. Sie will nicht in Drogerien wie Rossmann oder DM verkauft werden. KAP sieht sie eher als exklusives Nischenprodukt für berufstätige, erfolgreiche Frauen, die Wert auf Qualität legen, sich im Alltag auf ihr Make-Up verlassen wollen und wissen, wer sie sind. Und so ist KAP preislich auch irgendwo zwischen Drogeriemarktpreisen und Luxusmarken wie Chanel, Guerlain und Bobbi Brown angesiedelt.

Ein weiteres Ziel Palánkis ist es, ihre Produkte auch in Ungarn zu produzieren. Bis dahin ist es aber ein langer Weg. Derzeit lässt KAP in den USA, Großbritannien, Italien, China und auch Deutschland produzieren. Doch seit Anfang des Jahres beschäftigt das Unternehmen auch einen Chemielaboranten hier in Budapest, mit dem die erste heimische Produktion zumindest im kleinen Rahmen begonnen werden soll. Auch in neue Maschinen, etwa zum Pressen von Lidschatten, hat Palánki investiert. „Wir hoffen, Schritt für Schritt unsere Produktion hier auszubauen.“

Und auch die Weiterentwicklung ihrer Produktpalette gehört natürlich zu den Zielen Palánkis. Noch in diesem Jahr soll ein neuer Primer rauskommen, auch Highlighter und Lipliner sind geplant. Und wie ist es mit Puder? Denn obwohl sich die Marke ausgerechnet „Kell A Púder“ nennt, ist dieses doch sehr simple Make-Up-Produkt ausgerechnet eines, das bisher im Angebot von KAP noch fehlt. „Ja“, lacht Palánki, „das soll natürlich auch noch kommen!“

Wenn Sie mehr über KAP erfahren wollen, können Sie das unter kellapudershop.hu.

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