Geboren und aufgewachsen ist er im unterfränkischen Würzburg. Wobei seine Mutter wiederum aus Halle an der Saale stamme. „Insofern habe ich sogar zwei deutsche Traditionslinien im Blut und in der Familie“, fügt er hinzu. Nach der Schule zog es ihn in den Norden der Republik: in Hamburg studierte er Politikwissenschaft und Volkswirtschaft. Innerhalb dieser Zeit studierte er auch ein halbes Jahr in Straßburg.

Start in Khartum

Unmittelbar nach Erlangung seines Abschlusses als Politikwissenschaftler bewarb er sich beim Auswärtigen Amt. Frisch angenommen ging es für ihn 1986 sogleich auf seinen ersten Auslandsposten, und zwar als Presse- und Kulturreferent an die Deutsche Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. 1988 setzte er seine diplomatische Laufbahn an der Deutschen Botschaft in Paris als Wissenschaftsreferent fort.

1991 kehrte er erneut in sein Heimatland zurück, erst nach Bonn und bedingt durch den Hauptstadtumzug wenig später nach Berlin, wo er unter anderem im Auswärtigen Amt für das Referat „Mittlerer Osten und Nordafrika“ tätig wurde. Eine wesentliche Eignung für diese Stelle hatte er sich während des Studiums selbst erarbeitet, indem er Arabisch erlernte. „Ich wollte auf jeden Fall eine nichteuropäische Sprache lernen“, erinnert sich der Fremdsprachenbegeisterte, der neben den Pflichtsprachen seines Metiers, also Englisch und Französisch, übrigens auch der türkischen Sprache mächtig ist.

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Insgesamt verbrachte er in Berlin rund anderthalb Jahrzehnte. Immerhin eine ausreichend lange Zeitspanne, damit seine vier Kinder, die heute zwischen 22 und 30 Jahre alt sind, an einem Ort ihr Abitur ablegen konnten. Zwei seiner Kinder leben auch heute noch in Berlin. Aufgrund dieser familiären Verbindungen bezeichnet der Unterfranke Berlin inzwischen als seine „Heimat innerhalb von Deutschland“.

Botschafterkarriere begann in Damaskus

Nach seinen Berliner Jahren begann für Wenzel 2005 seine bis heute andauernde Karriere als Botschafter. Den Auftakt bildete die syrische Hauptstadt Damaskus. „Ein wunderschönes Land mit freundlichen Menschen. Ein Mosaikbild verschiedenster Kulturen. Ein Freilichtmuseum von dreitausend Jahren Religionsgeschichte“, schwelgt er sogleich in Erinnerungen an seine dortigen Jahre. Umso mehr tut ihm weh, mitzuerleben, was seither in Syrien passiert. „Ich leide menschlich mit, wenn ich bestimmte Dinge sehe.“

Wieder so richtig warm geworden in der arabischen Welt, ging es für ihn anschließend 2008 in die saudi-arabische Hauptstadt Riad. „Beruflich extrem spannend und extrem vielgestaltig. Ganz traditionell die dortige Stammeskultur. Faszinierend zu sehen“, kann der Diplomat auch seiner Tätigkeit in dieser Theokratie etwas Positives abgewinnen. 2011 ging es für ihn wieder in die Zentrale nach Berlin. Im Auswärtigen Amt beschäftigte er sich unter anderem mit den Themenfeldern UNO, Menschenrechte und Terrorismus.

„Oft weiß man erst Jahre später, ob eine Entscheidung richtig war“

Unter Guido Westerwelle wurde er der persönliche Beauftragte des Außenministers für den Wandel in der arabischen Welt. Auf Nachfrage stellt er klar, dass er diesen Posten erst nach der mutigen Entscheidung von Westerwelle übernommen hatte, wonach sich Deutschland nicht am regime change in Libyen beteiligen werde. „Ich bin nicht unglücklich, dass ich ihm in dieser schwierigen Frage keine Ratschläge erteilen musste“, erinnert er sich. „Es wurde aber offensichtlich die richtige Entscheidung getroffen. Auch, dass wir uns 2003 nicht am Irakkrieg beteiligt haben, war sicher eine richtige Entscheidung“, fügt er hinzu. Generell räumt er jedoch ein: „Oft weiß man erst Jahre später, ob eine Entscheidung richtig war.“

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2014 ging es für Wenzel in ein weiteres arabisches Land, diesmal für drei Jahre in die marokkanische Hauptstadt Rabat. „Ein sehr angenehmes arabisches Land, erst recht, wenn man Französisch spricht.“ Formal sei Marokko zwar auch eine Theokratie, trotzdem gehe es hier in Sachen Bekleidung, Bewegungsfreiheit, Frauenrechte etc. wesentlich liberaler zu als etwa in Saudi-Arabien. „Es gibt viele theokratische, aber auch demokratische Modelle für die Staaten dieser Welt“, unterstreicht Wenzel an dieser Stelle.

Marokko war seine letzte Station als Botschafter in der arabischen Welt. Es eröffnete sich ihm die Möglichkeit, seine diplomatische Karriere in Budapest zu beenden. „Das war ein attraktives Angebot, ich habe nicht lange überlegt.“ Von dem Gefühl, jetzt praktisch wieder in der europäischen Heimat zu sein, ist er noch immer begeistert. „Es ist diese bestimmte kulturelle Nähe vorhanden. Das merkt man sofort. Bestimmte Grundtatsachen muss man hier einfach nicht erklären.“

Im Auto von Rabat nach Budapest

Vom „wunderschönen“ Budapest, das er zuvor schon einige Male als Tourist besucht hatte, ist er begeistert. Zuletzt hatte er übrigens 2005 in Budapest zwei Tage Station gemacht, als er mit seinem ältesten Sohn sein Auto von Berlin nach Damaskus überführt hatte. „Es war die schönste Station unserer Reise.“ Immerhin eine beachtliche Reise von 4.500 Kilometern. Solche Trips scheinen ihm zu liegen, denn auch jetzt ließ er es sich nicht nehmen, sein Auto selber die 3.500 Kilometer von Rabat nach Budapest zu überführen. Darin, sich auf diese Weise einem neuen Einsatzort Kilometer um Kilometer anzunähern, liege für ihn ein ganz besonderer Reiz. „Ins Flugzeug einzusteigen und wenig später anzukommen, ist etwas anderes!“

Wenig überraschend erklärt er sodann, nach seinen Leidenschaften gefragt: „Ich reise gerne.“ Ebenso wenig überraschend folgt: Sprachen. Und dass er sich natürlich nicht die Chance entgehen lässt, sein Fremdsprachenportfolio um Ungarisch zu erweitern. Und zwar nicht nur – wie die meisten hiesigen Expats – auf einfachem Konversationsniveau, nein, in spätestens einem Jahr möchte er auf Ungarisch die Zeitung lesen können. Zu diesem Zweck hat er drei Mal pro Woche anderthalb Stunden Ungarischunterricht. „Eine faszinierende Sprache“, findet er. Beim Erlernen der für Westler sehr fremden Sprache, erweisen sich ihm übrigens seine Kenntnisse der türkischen Sprache als sehr nützlich – schließlich gehört auch diese Sprache wie Ungarisch zu den agglutinierenden Sprachen, in denen unter anderem die Präpositionen an die Hauptwörter „angeleimt“ werden.

Die Qual der Wahl

In seinen ersten knapp zwei Monaten habe er zwar schon viele Menschen und Institutionen kennengelernt, touristisch fühle er sich aber noch etwas „unterentwickelt“. Während sich Budapest von alleine ergeben werde, möchte er besonders auch das Ungarn außerhalb von Budapest kennenlernen. Bisher scheint er auch diesbezüglich gut voranzukommen. So kann er schon jetzt: Tihany, Balatonfüred, Veszprém und Székesfehérvár abhaken.

Nach den Jahren der Schonkost freue er sich auch darauf, in Ungarn wieder ein ganz normales mitteleuropäisches Kulturleben zu haben. „Ich stehe jetzt hier vor einem vollen Büfett, und weiß jetzt nur noch nicht, in welcher Reihenfolge ich das Probieren anfangen soll“, gesteht er sein Dilemma. Jazz, Oper, Konzert, Theater – auch hier zeichnet er sich durch vielseitiges Interesse aus. Der große Flügel im Salon seiner am vergangenen Sonntag bei der Wahlparty zum ersten Mal für externes Publikum geöffneten Residenz auf dem Rosenhügel ist übrigens mehr als nur ein schönes Möbelstück. Ja, er spiele Klavier. „Aber nur im stillen Kämmerlein.“

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