In der vergangenen Woche ging ein Aufschrei durch weite Teile der ungarischen Medien. Die Ukraine, auf deren Gebiet rund 150.000 Ungarn leben, verabschiedete ein Gesetz zum Sprachgebrauch in Schulen. Der Punkt, der die Gemüter in Ungarn erzürnt, ist die Anforderung, dass Absolventen der Mittelschule in Zukunft Ukrainisch können müssen. Schwarzmaler sahen darin sofort das Ende der Sonderrechte der vor allem in der Karpato-Ukraine lebenden ungarischen Minderheit.

Formulierung sorgt für Verwirrung

Ganz so dramatisch dürfte der Einschnitt in die sprachliche Ausbildung der Kinder jedoch nicht sein. Das Gesetz sieht vor, dass sowohl im Kindergarten als auch in der Grundschule in der Minderheitensprache unterrichtet werden kann. Hier würde Ukrainisch nun als Fremdsprache hinzukommen. Ab der Mittelschule sollten dann einzelne Fächer in der Landessprache unterrichtet werden. Dieses Modell wird heute beispielsweise in zahlreichen zweisprachigen Schulen in Ungarn angewandt. Insgesamt gibt das Gesetz einen Übergangszeitraum von zwölf Jahren vor, offizielles Ziel sei es, dass alle ukrainischen Staatsbürger auch der ukrainischen Sprache mächtig sind.

Allerdings lässt das Gesetz viel Raum für Interpretationen. So heißt es, die offizielle Unterrichtssprache sei Ukrainisch, ebendort wird aber auch noch einmal betont, dass jede Minderheit ein Recht auf Schulen in ihrer eigenen Sprache habe. Das Nachrichtenportal index.hu fasst die Interpretationen in etwa so zusammen: „Optimistisch gelesen, kündigt das Gesetz nichts anderes an, als die Chance für Kinder entweder in ihrer Muttersprache unterrichtet zu werden oder aber sukzessive auf Ukrainisch als Unterrichtssprache umzuschwenken. Pessimisten hingegen würden in dem Gesetz eine Begrenzung der Minderheitensprache auf gerade einmal zwei Stunden pro Tag sehen.“

Tatsächlich wandte sich Ungarn, nachdem bilaterale Gespräche mit der Ukraine ergebnislos verlaufen waren, wegen des Gesetzes bereits an die UNO, die EU und die OSZE. In einem Brief bat Ungarns Außenminister Péter Szijjártó die internationalen Organisationen um Hilfe, um das Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern.

Wahre Zielgruppe eine andere

Doch nicht nur die Mitglieder der ungarischen Minderheit nehmen das Gesetz mit Besorgnis zur Kenntnis. Am Dienstag forderte das russische Außenministerium einen internationalen Zusammenschluss gegen das neue Bildungsgesetz der Ukraine, welches sich nach dessen Auffassung eindeutig gegen die mehreren Millionen im Land lebenden Russisch-Muttersprachler richtet. Tatsächlich waren es eben gerade die Sprache und damit einhergehend die nationale Identität dieser Bevölkerungsgruppe, die die Grundlage für die (nach internationalem Recht umstrittene) Annexion der Krim durch Russland bildete. So sieht die Regierung um Wladimir Putin den Schritt der ukrainischen Regierung dementsprechend auch als einen Versuch, den Bildungssektor komplett zu „ukrainisieren“.

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