Artikel 7 sieht im Falle schwerwiegender Verstöße gegen demokratische Grundwerte der EU Sanktionen vor, wurde bisher aber noch nie angewendet. Die Entwicklungen in Ungarn unter der Regierung von Viktor Orbán hätten in den vergangenen Jahren zu einer „erheblichen Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Grundrechte geführt“, heißt es in der mit deutlicher Mehrheit verabschiedeten Resolution. So seien u. a. das Recht auf freie Meinungsäußerung, die akademische Freiheit, die Menschenrechte von Migranten sowie die Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt worden. Hinzu kämen Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz und „besorgniserregende Korruption“. Der Fall in Ungarn sei eine „Bewährungsprobe für die EU“, hieß es weiter. Sie müsse nun unter Beweis stellen, dass sie willens und in der Lage ist, auf Verletzungen ihrer Grundwerte durch einen Mitgliedstaat zu reagieren. Dies sei umso wichtiger, als es auch in anderen EU-Staaten beunruhigende Anzeichen für eine ähnliche Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit gebe. Mit diesem Entschluss soll Orbán die gelbe Karte gezeigt werden. Bei schweren Verstößen gegen die Grundrechte könnten dem Land sogar die Stimmrechte entzogen werden, wenn sich die Staats- und Regierungschefs einstimmig dafür aussprechen. Was wiederum als eher unwahrscheinlich gilt, denn Polen hat bereits sein Veto angekündigt.

Das Europaparlament fordert in seiner Resolution die Rücknahme des Gesetzes über die Transitzonen für Flüchtlinge, des Hochschulgesetzes „Lex CEU“ und des Gesetzentwurfes über die NGO. Weiterhin wird die EU-Kommission beauftragt, gründlicher zu kontrollieren, wofür die EU-Förderungen in Ungarn verwendet werden. In Verbindung mit der Lex CEU läuft bereits seit Ende April ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission. Zehntausende Bürger in Ungarn hatten mehrmals gegen das Gesetz protestiert.

Fidesz-Sprecher Balázs Hidvéghi kommentierte den Entschluss des Europaparlaments, es gebe keine reale Chance, dass Artikel 7 tatsächlich in Kraft tritt. Dies sei ein neuerlicher frontaler Angriff auf die ungarische Regierung. Das Europaparlament wolle Ungarn die illegale Einwanderung aufzwingen. Außenminister Péter Szijjártó sagte, nach dem Tavares-Bericht gebe es nun einen Soros-Bericht. Die europäischen Institutionen wollen einfach nicht akzeptieren, dass die ungarische Regierung ungeachtet des internationalen Drucks ihre Flüchtlingspolitik fortführt – weil sie sich die Sicherheit des Landes und der Bürger vor Augen hält.

Dem MSZP-Vorsitzenden Gyula Molnár zufolge hat das Europaparlament gestern eindeutig signalisiert, dass es genug davon hat, was die ungarische Regierung tut. Die Abstimmung erfolgte nicht durch Brüssel, nicht durch George Soros, sondern auch mit den Stimmen der rechten EP-Abgeordneten. Die Entscheidung richtet sich nicht gegen die ungarischen Bürger und hat vorerst keine Konsequenzen. Bei den Parlamentswahlen 2018 geht es also darum: Entweder Viktor Orbán oder Europa.


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