Ein eleganter Fenstererker, eine babyrosa gestrichene Badewanne, kitschige Blümchentapete – die klassizistische Váncza-Villa im II. Bezirk könnte mit ihrer Retrooptik leicht als Filmset für den nächsten Wes-Anderson-Streifen herhalten. Nichts erinnert an die oft in weiß gehaltene, sterile Umgebung eines Museums und trotzdem bietet sie die perfekte Kulisse für die zum Teil schrillen, zum Teil glamourösen Kunstobjekte der Gruppenausstellung „Reproduced Paradise“. Insgesamt 37 Kunstschaffende aus aller Welt trugen zu dem ungewöhnlichen Gemeinschaftsprojekt mit ihrer ganz eigenen Interpretation vom Paradies bei.

Paradiesische Kunst

Die gezeigten Kunstwerke lassen sich grob in zwei Kategorien aufteilen: Zum einen solche, die sich mit der klassischen, biblischen Interpretation des Paradiesbegriffes befassen, wie etwa die Gemälde des zeitgenössischen ungarischen Malers Lőrinc Borsos, die Szenen aus dem Garten Eden zeigen. Dem gegenüber stehen zahlreiche Werke, die in ihrer Visualität nach einer ganz subjektiven Darstellung paradiesischer Zustände streben und die als Souvenirs aus dem persönlichen Elysium des jeweiligen Künstlers interpretiert werden können.

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Die als Ausstellungsraum genutzte Váncza-Villa geben einen unmittelbaren Eindruck davon, wie die Kunstwerke im häuslichen Umfeld wirken.

Für den ungarischen Künstler János Brückner etwa wäre es ein Lottogewinn, der das Paradies zum Greifen nah bringt. Darum verkauft er im Rahmen der Ausstellung Lottoscheine und verlost so eines seiner Werke. Laut der Künstlerin Emese Benczúr wiederum kann den Weg zum Paradies nur finden, wer sich spirituell dafür öffnet – „Open Your Mind“ heißt eine der Installationen, die sie zur Ausstellung beigesteuert hat.

Doch auch wenn Skulpturen, Gemälde, Grafiken, Texte und andere Installationen den Grundstock der Ausstellung bilden, liegt der Schwerpunkt doch auf dem oft unterschätzten Medium Autorenschmuck. Kuratorin Réka Lőrincz, die zu den bekanntesten ungarischen Vertretern dieser Kunstgattung gehört, ließ hierfür ihre vielfältigen internationalen Kontakte spielen und holte vor allem deutsche Autorenschmuckdesigner, wie Karl Fritsch, Daniel Kruger, Gesine Hackenberg, Bettina Speckner sowie Gisbert und Rose Stach, nach Budapest. Darüber hinaus stellen auch weitere internationale Koryphäen, wie etwa der Niederländer Ted Noten, die aus Neuseeland stammende Lisa Walker oder die australische Schmuckdesignerin Helen Britton, ihre außergewöhnlichen Arbeiten vor.

Dass die Objekte dabei kreuz und quer über alle Räume der Váncza-Villa verteilt sind (nicht einmal vor dem Badezimmer, dem Dachboden oder der Speisekammer macht die Kunst halt), gibt der Ausstellung eine persönliche Note. „Wir wollten die Kunst aus dem 'White Cube' holen und sie zu den Menschen bringen“, erklärt Ko-Kurator Péter Bencze gegenüber der Budapester Zeitung. Dass die Villa, die erstmalig für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich ist, nicht zum Kreis der etablierten Ausstellungsorte in Budapest gehört, sieht er als Vorteil. Er hofft, mit der ungewöhnlichen Location auch Personen zu erreichen, die sich üblicherweise nicht mit zeitgenössischer Kunst beschäftigen und Galerien eher meiden.

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Einmaliger Einblick in ein geschichtsträchtiges Haus

Dazu gehören etwa neugierige Anwohner aus der unmittelbaren Umgebung, die die Ausstellung nutzten, um einmal einen Blick in das Innere des geschichtsträchtigen Gebäudes zu werfen.

Früher wohnte in der Villa in der Torockó utca 11 der bekannte ungarische Apotheker und Backpulverhersteller József Váncza mit seiner Familie. Hier, in seinem hauseigenen Laboratorium, soll er in den 1920er-Jahren das Rezept für sein Backpulver gefunden haben. „Viele von denen, die eigentlich 'nur' gekommen waren, um das Haus zu sehen, waren am Ende von den ausgestellten Kunstwerken trotzdem positiv überrascht“, erzählt Bencze, „einige kamen zu mir und sagten: 'Ach, das ist zeitgenössische Kunst? Das gefällt mir sogar!'“ Auch seitens professioneller Kunstsammler erntete das alternative Ausstellungskonzept viel Lob: „Vielen gefiel die Tatsache, dass sie einen unmittelbaren Eindruck davon erhalten, wie die Werke in der Umgebung eines Wohnraumes wirken.“

Noch bis zum 2. Dezember ist die bunt gemischte Ausstellung in der Váncza-Villa zu sehen. Ab Februar 2017 soll das Gebäude saniert werden und wird danach erneut als Wohnraum für eine Familie dienen.

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Reproduced Paradise

Veranstaltungsort: Váncza-Villa – Budapest, II. Bezirk, Torockó utca 11

Öffnungszeiten: Besichtigung auf Anfrage

Weitere Informationen unter www.facebook.com/reproducedparadise

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