Der Moment, wenn sie einer Kundin deren fertige Handtasche übergibt, das ist für Designerin Fruzsina Laib jedes Mal der schönste und gleichzeitig der härteste Teil ihres Jobs. Denn bevor es zur Übergabe kommt, investiert die 23-Jährige mehrere Tage bis Wochen an Arbeit. Zunächst verbringt sie einige Stunden damit, bei einem der wenigen Stoffhändler in Budapest hochwertiges italienisches Leder zu finden. Sobald dies vorhanden ist, sitzt sie tagelang an ihrer Nähmaschine und bessert so lange nach, bis sie mit jedem Detail zufrieden ist. So zufrieden, dass sie ihre Kreation am Ende kaum noch hergeben will.

Atelier in der Abstellkammer

Fruzsina arbeite stets fokussiert und sei sehr perfektionistisch, sagt ihr Mitbewohner über sie. Die beiden wohnten schon zusammen, als Fruzsina ihre Marke LAIB im Frühling dieses Jahres gründete. Auch ihr Freund wohnt mit in der Wohnung. Fruzsina hat die Abstellkammer neben der Küche bekommen, um sich dort ein kleines Atelier einrichten zu können. Der Arbeitsplatz ist ordentlich. Bis auf ein paar Stoffrollen, Werkzeuge und Einzelteile wie Ösen und Garn liegt kaum etwas herum. Auf einer Holzplatte steht Fruzsinas gusseiserne Ledernähmaschine, die sie gebraucht für rund 600 Euro bekam. Im Original können derartige Industrienähmaschinen, die Fruzsina in der Zukunft brauchen wird, zwischen 1.500 Euro und 5.000 Euro kosten.

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Fruzsina Laib (23) will Taschen kreieren, die zuverlässige und modische Begleiter für selbstbewusste Karrierefrauen sind. Wer bei ihr eine Tasche ordert, kann daher seine eigenen Vorstellungen in das Design einfließen lassen.

Wie auch während ihres dreijährigen Bachelor-Studiums „Textildesign” am Design-Institut der Moholy-Nagy-Universität für Kunst und Design in Budapest, das sie in diesem Jahr abschloss, unterstützen sie ihre Eltern bei der Gründung ihres Labels finanziell. Zudem arbeitet Fruzsina 40 Stunden die Woche als Projektmanagerin bei einer Agentur, die IT-Konferenzen organisiert. Ein Job, der nicht nur Geld bringt, sondern ihr auch hilft, Erfahrungen im Bereich PR und Marketing zu sammeln sowie Kontakte mit potenziellen Kunden zu knüpfen. Noch verkauft sie die meisten Taschen über Mund-zu-Mund-Propaganda an Freunde und Bekannte sowie an Menschen, die sie auf der Straße auf ihre Tasche ansprechen oder Bilder davon auf Facebook sehen.

In spätestens fünf Jahren möchte Fruzsina ihre Marke so weit aufgebaut haben, dass sie ausschließlich davon leben kann. Derzeit überlegt sie mithilfe einer Crowdfunding-Plattform Startkapital zu sammeln, so wie es auch die ungarische Lederdesignerin Sara Gulyas gemacht hat. Sobald sie eine größere Auswahl hat und schneller produzieren kann, will Fruzsina LAIB auf Messen und Designmärkten, wie etwa dem Budapester WAMP-Designmarkt präsentieren. Zudem kann sie sich vorstellen, ihre Taschen und Rucksäcke in Multibrand-Stores in ganz Ungarn zu verkaufen, wenn Interesse besteht.

LAIB gibt es bald auch für Männer

Eine konkrete Erweiterung der Produktlinie steht, aufgrund zahlreicher Anfragen, bereits an: Männerhandtaschen. Die seien gar nicht so einfach zu konzipieren, sagt Fruzsina, denn Männer hätten hohe Ansprüche an die Funktionalität. Doch das Gute an Fruzsinas Produktionsweise ist, dass jeder Kunde seine speziellen Wünsche äußern und seine Handtaschen personalisieren lassen kann. Das geht von der Anzahl der Innentaschen bis hin zur Eingravierung der eigenen Initialen oder des eigenen Namens.

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Auch an Schuhen hat sich die begabte Lederdesignerin schon versucht, doch Handtaschen bleiben ihre wahre Leidenschaft.e nachdem, wie viel Zeit und Material dafür investiert werden muss, kostet eine LAIB-Tasche zwischen 15.000 und 50.000 Forint. Als Kundinnen hat Fruzsina besonders junge Karrierefrauen im Blick. Aber auch Frauen, die mitten im Leben stehen, dürften die eleganten großen Shopper gefallen, die LAIB im Sortiment hat. Die Rucksäcke mit Cut-Outs hingegen, für dessen geometrische Formen sich Fruzsina an Gebäuden orientiert hat, kann man sich eher an modebewussten Menschen aus der Kreativbranche vorstellen, die nach etwas Einzigartigem suchen.

Traditionelle ungarische Volkskunst wie etwa Stickereien in ihre Entwürfe zu integrieren, findet Fruzsina schwierig, da sie einen minimalistischen Stil bevorzugt. Für ihre Cut-Outs ließ sie sich allerdings von ungarischen Mustern aus Spitze inspirieren und auch sonst ist ihr Heimatland ihr in vielerlei Hinsicht sehr wichtig. Um ihre Marke aufzubauen, möchte sie in Budapest bleiben und auch unter ihren Vorbildern finden sich nur ungarische Designer. Réka Vágó, die Gründerin des gleichnamigen Schuh- und Accessoire-Labels REKAVAGO etwa, bei der sie 2015 ein Praktikum absolvierte. Von ihr lernte sie sämtliche Produktionsschritte von der Planung und dem Einkauf bis hin zur Fertigung und dem Verkauf. An Ledersandalen, wie REKAVAGO sie herstellt, hat sich Fruzsina auch schon herangewagt, doch ihre Leidenschaft sind eindeutig Handtaschen.

Leidenschaft für Zeichnen und Leder

Bereits in jungen Jahren merkte sie, dass sie zwar weder besonders sportlich noch musikalisch ist, aber ein Talent fürs Zeichnen und ein großes Interesse an Mode besitzt. Ihren Barbies schneiderte sie die Kleider um und manchmal zeichnete sie Outfits auf Papier und klebte diese auf Zahnstocher wie auf eine Puppe. Nach der achtjährigen Grundschule besuchte Fruzsina fünf Jahre lang die Secondary School of Visual Arts in Budapest und lernte dort, wie man in Handarbeit aus diversen Materialien Produkte designt. Sie fokussierte sich auf Lederaccessoires und ist bis heute dabei geblieben.

Wenn sie in ihrem Atelier erklärt, welches Leder sie für welchen Teil der Tasche verwendet, kann man ihr die Begeisterung für das Material deutlich ansehen. Gerne würde Fruzsina einmal nach Italien fahren und vor Ort Gerbereien besuchen. Hohe Qualität bei Stoff und Verarbeitung sind ihr sehr wichtig, um ein langlebiges Produkt zu kreieren. Statt mehreren Kollektionen pro Jahr, hat sie nur eine Linie, die sie Stück für Stück erweitert und auf Wunsch um Personalisierungen ergänzt. Jeder Kunde kann sich die Beschaffenheit und Farbe des Materials aussuchen. Und wenn doch mal etwas kaputtgehen sollte, kann man die Tasche jederzeit zu Fruzsina in Reparatur geben. Derartige Fehler widersprechen zwar eigentlich ihrem Perfektionismus, aber insgeheim freut sich Fruzsina natürlich trotzdem ein wenig, so ihre Tasche mal wieder zu sehen.

Erfahren Sie mehr über die Taschendesigns der Marke LAIB unter www.laib.hu und www.facebook.com/laibdesign.

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