Besonders imposant fällt die Budapester Baubilanz des Fidesz aus, wenn man den Vergleich zu den vorherigen acht sozialistischen Jahren des Landes zieht, in denen es nicht nur deutlich weniger solcher Großinvestitionen gab, sondern viele der wenigen nicht einmal richtig fertig wurden (Metrolinie 4, Walfisch, Rácz-Bad).

Die Baukompetenz des Fidesz steht also außer Frage. So kann man also schon jetzt beruhigt davon ausgehen, dass auch der in diesen Tagen in Angriff genommene Umbau des Stadtwäldchens (ung. városliget) trotz der Gesamtdimension und der gewaltigen Größe der Einzelprojekte eines Tages mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich abgeschlossen sein wird. Es sind daher nicht Zweifel an der Baukompetenz, die die Ligetvédők (dt. Verteidiger des Stadtwäldchens) immer vehementer auf die Barrikaden treiben – siehe dazu unser Interview mit einer Ligetvédő-Aktivistin auf den Seiten 8 bis 11.

Was sie und ihre Mitstreiter umtreibt, sind Sorgen bezüglich möglicher Risiken und Nebenwirkungen des Mammutprojektes. Das Wort „möglich“ ist in diesem Zusammenhang mit Bedacht gewählt. Denn weder kann der Bauausführer, die Városliget Zrt., auf Grund von Studien nachweisen, dass die Sorgen der Verteidiger überflüssig sind, noch können diese auf Grund eigener Untersuchungen beweisen, dass man sich wirklich Sorgen machen müsse. So etwa bezüglich der Folgen von möglicherweise eintretenden Veränderungen beim Grundwasserspiegel.

Befeuert werden die Sorgen seitens der Liget-Verteidiger von einer suboptimalen Informationspolitik der Ligetprojekt-Befürworter. Ähnlich wie im Fall Paks II. sorgt diese ganz maßgeblich dafür, dass alle möglichen Vermutungen und Spekulationen in den Himmel schießen. Die schwach ausgeprägte Konsensfindungskompetenz von gewissen Fidesz-Verantwortlichen macht die Sache nicht besser. Ebenso wie deren Neigung, Konflikte eher mit Gewalt zu lösen („Glatzeneinsatz“). So drängt sich die berechtigte Frage auf, ob vielleicht nicht nur die Kommunikation des Projektes und dessen erste Umsetzungsschritte hinken, sondern das Projekt selbst.

Gibt es hier von Seiten der Planer tatsächlich offene Fragen hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf die Umwelt? Wird hier gar bewusst ein gewisses Risiko in Kauf genommen? Etwa weil man die Bauvorhaben nicht verzögern möchte – in zwei Jahren gibt es Wahlen – oder Einschnitte bei deren Dimensionen befürchtet. Im Prinzip tun die Liget-Schützer daher nichts anderes, als auf diese möglichen Defizite bei der Risikoabschätzung hinzuweisen.

Im Gegensatz zum Protest gegen Paks II. oder zur Wendezeit gegen die Donaustaustufen von Bős-Nagymaros sind die Protestierer auch nicht auf eine Totalverhinderung des Projektes aus. Jeder, der Augen im Kopf hat, sieht, dass beim Stadtwäldchen dringender Erneuerungsbedarf besteht. Mit seinem Retro-Charme ist dieser Park immer weniger einer prosperierenden modernen Weltstadt wie Budapest würdig. Wer einmal am Wochenende versucht hat, am Stadtwäldchen einen Parkplatz zu finden, weiß, dass auch in dieser Hinsicht Handlungsbedarf besteht.

All das sollte aber möglichst behutsam erfolgen. Schließlich wäre es keine schöne Aussicht, dass man nach der Fertigstellung des Projektes zwar reichlich Parkplätze findet, dafür aber die alten Bäume aus Wassermangel wegsterben – eine Sorge der Liget-Verteidiger – oder das Wasser des Széchenyi-Bades an Güte verliert – eine weitere Sorge. Oder man sich auf den Liegewiesen wegen dort endender Belüftungsschächte geruchlich wie in einem Parkhaus vorkommt – ebenso eine Sorge der Verteidiger. Da all das wohl auch nicht im Sinne der Projekt-Befürworter ist, verwundert es, warum sie dennoch so wenig mit offenen Karten spielen und substantiellen Konsultationen – also Konsultationen, die von beiden Seiten als solche empfunden werden – aus dem Weg gehen.

Die Unterstellung, dass die Opposition beim Liget-Konflikt ihr Süppchen kocht, reicht dafür wohl kaum als Erklärung. Um diesen Vorwurf erst gar nicht aufkommen zu lassen, haben sich die Liget-Verteidiger betont parteienunabhängig positioniert. Da es sich beim Liget-Disput um ein ausschließlich Budapester Thema handelt, müssten sich die Regierenden nicht einmal Sorgen bezüglich möglicher Folgewirkungen auf ihr landesweites Quotenreferendum am 2. Oktober machen.

Insofern spräche also kaum etwas dagegen, dass der Konflikt so bald wie möglich in einen gesitteten, konstruktiven Rahmen gelenkt und beigelegt wird. Oberstes Ziel sollte es sein, dass die Budapester so bald wie möglich ein erneuertes und den modernen Bedürfnissen besser angepasstes Stadtwäldchen in Besitz nehmen können. Ein Stadtwäldchen, in das sie – ohne dass in ihnen schlechte Erinnerungen an dessen Erneuerung hochkommen – gerne ihre Schritte lenken und das sie stolz ihren ausländischen Gästen zeigen.

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