Normalerweise wird bei Nemesys Games in der Nähe der Semmelweis-Universität programmiert, was das Zeug hält. Doch seit ein paar Monaten herrscht frischer Wind in den Büroräumen des Spieleherstellers. Denn für fünf junge Frauen, die sich „Queens of Games“, also die „Königinnen der Videospiele“ nennen, ist die Firma ein zweites Zuhause geworden. „Wir haben alle unterschiedliche Interessen, doch eine Sache verbindet uns: nämlich das Zocken“, sagt Zsófia Páll. Seit September vergangenen Jahres gibt es die kleine Gruppe, die in sozialen Medien darüber berichtet, was in der Videospieleszene gerade aktuell ist. Die jungen Frauen leiten das Projekt nebenberuflich, arbeiten sonst in der Schule, studieren oder schreiben für Magazine. Der besondere Fokus liegt aber nicht allgemein auf irgendwelchen Spielen, sondern auf E-Sport. Für viele mag der Begriff neu sein, doch diese besondere Form des Sports ist weltweit sehr erfolgreich.

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Réka „Rka“ Hodozsánné Balogh ist bei den „Queens of Game“ für die Nachrichten aus der Spieleszene zuständig.

Unter dem Begriff E-Sport können grob gesagt alle Arten von digitalen Wettkämpfen in Computerspielen zusammengefasst werden. Ihren Ursprung hat der E-Sport-Gedanke in Asien. Dort werden teilweise E-Sport-Matches sogar im Fernsehen übertragen. Veranstalter für Turniere ist unter anderem eine eigens geschaffene Electronic-Sport-Liga. Sport heißt es deshalb, da die Spieler neben der Beherrschung des eigentlichen Computerspiels verschiedene motorische und geistige Fähigkeiten beherrschen müssen, um im Wettkampf erfolgreich zu sein. Motorisch sind für die Spieler vor allem Hand-Auge-Koordination, Reaktionsgeschwindigkeit und Durchhaltevermögen von Bedeutung.

Ist E-Sport wirklich Sport?

Wenn es um E-Sport geht, dominieren zwei Meinungen: Auf der einen Seite gibt es gute Nachrichten, wie etwa die Gründung der World Esports Association (Wesa), die E-Sport weltweit besser organisieren möchte. Auch der deutsche Sender ProSieben möchte E-Sport ins TV-Programm aufnehmen und Schalke 04 bringt sogar ein eigenes Team in eine E-Sport-Liga. Doch es gibt eben auch die andere Meinung, die E-Sport nicht als Sport ansieht. Die Aussagen der Kritiker: E-Sport sei doch gar kein Sport, die Spieler keine Athleten, die Teams und Strukturen nicht professionell.

„Wird denn Schach als Sport anerkannt?“, fragt Zsófia Páll, die hauptberuflich Spielejournalistin ist, sichtlich verärgert. Sie und ihre Kolleginnen kennen die Diskussionen nur zu gut. Dabei verstehen sie nicht, warum die Akzeptanz noch immer so gering ist. „Man braucht viele Reflexe und Sportsgeist dafür“, so die 27-Jährige. Diesen Sportsgeist erlebe sie immer wieder, wenn sie Videos oder Interviews bei Wettbewerben vor Ort macht. Die Berichte werden dann ins Internet gestellt. Damit begeistern sie immerhin mehr als 3.000 Fans auf Facebook und noch viele mehr auf ihrem Youtube-Kanal.

Die „Queens of Games“ haben vor allem eine Mission: „Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass nicht nur Männer Videospiele spielen, und wollen gegen Vorurteile ankämpfen“, so Páll. Vor allem in den Köpfen vieler männlicher Spiele halte sich die Einstellung, Frauen hätten in der Videospieleszene nichts zu suchen. „Für sie ist es beispielsweise eine Schande, wenn eine Frau einen Mann beim Zocken besiegt“, sagt die freiberufliche Journalistin. Vor allem beim beliebten E-Sport-Titel „FIFA“, einem Fußballspiel, sei es für die Männer ein herber Verlust der eigenen Ehre, gegen Frauen zu verlieren.

Erfolgreiche Spieleprofis aus Ungarn

Denn noch immer wird die E-Sport-Szene von Männern dominiert und kann gerade einmal einen Frauenanteil im einstelligen Prozentbereich vorweisen. Daher wurden vor einigen Jahren Frauenturniere eingeführt, um weibliche Spieler in die Szene einzubinden. Mittlerweile können Frauenturniere sogar ein beachtliches Preisgeld vorweisen. Auch Ungarn ist in der Branche kein unbekanntes Land. Nikolett Keszeli, die sich „nylon“ nennt, räumt weltweit Preise ab. Und das mit einem Spiel, das nach wie vor in der Gesellschaft polarisiert. „Counter Strike“ heißt es und ist ein sogenannter „Ego-Shooter“. In dem Spiel geht es um das Gefecht zwischen einer oder wahlweise vier verschiedenen terroristischen Gruppierungen und ihren Gegenspielern, einer Anti-Terror-Einheit. Die Spielziele sind hierbei gegensätzlich angelegt. So geht es in den verschiedenen Karten vorwiegend um das Verhindern von Geiselnahmen oder eben das Legen und Verteidigen von Bomben, was entsprechend von der Gegenpartei zu verhindern versucht wird. Die deutsche Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) in Bonn hat entschieden, das Spiel nicht auf die Indizierungsliste der jugendgefährdenden Medien zu setzen. Bei Jugendlichen und Erwachsenen ist es seit Jahren zu einem der beliebtesten Spiele geworden. Und wird von Kritikern oft als „Killerspiel“ betitelt, das dazu führe, junge Menschen aggressiv zu machen.

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Testet den neuen E-Sport-Titel „Overmatch“: Zsófia „Sophiaso“ Páll.“

„Das ist Unfug – Menschen reagieren sich durch die Spiele eher ab“, so Zsófia Páll, die an der Universität über genau dieses Themenfeld geforscht hat. Auch der 25-jährige Ungar Valentin Váczi ist in der internationalen Spielerszene bekannt. Derzeit befindet er sich für ein Training in Deutschland. Ist das ein Beweis dafür, dass die Spielebranche in Ungarn gar nicht so klein und unbedeutend ist, wie man vielleicht denken mag? „Die Ungarn lieben Videospiele, für ein recht kleines Land ist die Szene hier sehr groß“, meint Zsófia Páll dazu.

Berichterstattung schwierig

László Bényi sieht das etwas anders. Er ist Chefredakteur von IGN, einer Nachrichtenseite, die sich auf Videospiele konzentriert. „Die Szene existiert, aber ich würde nicht sagen, dass sie groß ist“, so der Journalist. Zwar würden immer mehr Leute E-Sport betreiben, doch aufgrund fehlender Sponsoren und organisierter Veranstaltungen sei es schwer, international mithalten zu können. „Um E-Sport in Ungarn richtig berühmt zu machen, braucht es nicht unbedingt mehr Geld, sondern einfach jemanden, der das Ganze motiviert vorantreibt“, so Bényi. Zwar gebe es einige Unternehmen, wie zum Beispiel den Computerhersteller Lenovo, die in Ungarn große Veranstaltungen organisieren wollen, doch das sei „alles noch in den Kinderschuhen“. Bényi selbst merke als Chefredakteur, wie schwer es ist, E-Sport in Ungarn anhand von Nachrichten noch populärer zu machen. „Wirklich gute E-Sportler wollen andere Dinge lesen als Gelegenheitsspieler“, sagt er. Erstere seien eher darauf aus, bahnbrechende Neuigkeiten zu erfahren, die sie noch nicht kennen. Die „Casual Gamer“, also diejenigen, die ab und zu spielen, wollen eher allgemein und sehr grundlegend die Spiele erklärt bekommen. „Das bei der Berichterstattung unter einen Hut zu bekommen, ist sehr schwierig“, sagt der Chefredakteur.

Die Youtube-Stars von morgen?

Zsófia Páll und ihr Team versuchen trotzdem, beiden Parteien gerecht zu werden. Sie produzieren wöchentlich Videos, in denen sie die wichtigsten Nachrichten der Videospielwelt zusammenfassen, und kommentieren fleißig auf ihrer Facebookseite. Und dafür bekommen sie viel Lob, mit dem sie am Anfang gar nicht gerechnet hatten. „Erst vor Kurzem sprach mich ein Mädchen in der Metro an und sagte, dass sie und ihre Mutter unser Projekt sehr mögen“, sagt sie. Natürlich gebe es auch (meist männliche) Spieler, die ihren Hass auf weibliche Spieler bei den „Queens of Games“ loswerden. „Aber so ist das Internet eben“, so Páll seufzend. Die jungen Frauen folgen dabei dem Trend, soziale Medien erfolgreich als Plattform zu nutzen. Und wollen damit in die Fußstapfen der „ganz Großen“ treten. Videos von sogenannten Youtube-Stars werden millionenfach geklickt und haben mehr regelmäßige Zuschauer als manche TV-Sender. Mit insgesamt mehr als 52.000 Aufrufen können die „Queens of Games“ mit den international erfolgreichsten Youtube-Stars noch nicht mithalten, doch traurig macht das die Spielermädels nicht. „Wir wollen damit eher eine Community schaffen und uns so mit anderen Spielern vernetzen“, sagt Zsófia Páll.

Noch sind die „Königinnen der Spiele“ zu fünft. Und das soll auch erst einmal so bleiben. Denn sie sind davon überzeugt, auch als kleine Gruppe den Männern beweisen zu können, dass das „starke Geschlecht“ in der Videospieleszene mächtig Konkurrenz bekommen hat. „Und genau das macht uns Spaß“, so Spielekönigin Zsófia Páll lachend.

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Die „Queens of Games“, das sind: Beatrix „Bejja“ Németh, Zsófia „Sophiaso“ Páll, Réka „Rka“ Hodozsánné Balogh, Cintia „Soyomi“ Raffael und Anna Gréta „Aisha“ Kiss. Mehr Informationen über die große Welt des E-Sports gibt es auf den sozialen Medienkanälen der „Queens of Games“ unter www.youtube.com/queensofgame und www.facebook.com/queensofg. Beim Streamingdienst „Twitch“ kann man Zsófia Páll live beim Zocken beobachten. Das funktioniert unter www.twitch.tv/sophiasogaming.
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