Am späten Freitagabend flatterte den Ungarn die frohe Botschaft ins Haus: Die in London ansässige Ratingagentur Fitch Ratings hob die Bonitätsbewertung der ungarischen Staatsschulden mit stabilem Ausblick auf BBB- an, was für eine durchschnittlich gute Anlage steht. Damit ist es das erste Urteil der drei maßgeblichen internationalen Agenturen, das Geldanlagen in ungarische Anleihen nicht länger als spekulativ hinstellt. Für viele Pensionsfonds und Investmentfonds gilt, dass ein Land bei wenigstens zwei der drei Branchengrößen (neben Fitch sind dies noch Moody´s und Weltmarktführer Standard & Poor´s) ein Investmentgrade vorweisen muss, um für Anlagen in Frage zu kommen. Das könnte frühestens im Juli geschehen, wenn sich Moody´s wieder mit Ungarn beschäftigt. Allerdings hatte es bei Fitch Ratings genau ein Jahr gedauert, seit das Schuldenrating mit einem positiven Ausblick versehen worden war, ehe der Schritt zur tatsächlichen Höherstufung erfolgte. In diesem Sinne rechnet eine Mehrheit der Analysten bei Moody´s realistischer im November mit einem Prädikat Baa3. Das hierzu adäquate BBB- von S&P soll derweil vor 2017 keine Chancen besitzen.

Viereinhalb Jahre im Ramsch-Status

Wie dem auch sei, am 20. Mai 2016 begann die Rückkehr Ungarns in eine Liga, deren Mitgliedschaft ganz gewiss vorteilhaft für das Land ist. Vor viereinhalb Jahren, genau am 24. November 2011, hatte Moody´s Ungarn in den Ramschstatus verbannt. Nur eine Woche zuvor hatte die Regierung plötzlich ihre Bereitschaft zu Verhandlungen mit dem IWF bekundet, doch konnte der Bluff – in den nachfolgenden Wochen wurde offensichtlich, dass Budapest mit der Hinhaltetaktik nur auf Zeitgewinn spielte – die Ratingagentur nicht mehr von ihrem harten Urteil abbringen. S&P war dieser Finte von Wirtschaftsminister György Matolcsy derweil aufgesessen und wartete im Spätherbst noch auf die für Februar 2012 angekündigte Fortsetzung der IWF-Verhandlungen…

Aber welche Argumente führte Moody´s ins Feld, die den Vertrauensentzug begründeten? Vor allem schien es zunehmend unsicherer, dass Ungarn die mittelfristigen Zielstellungen bei der Haushaltskonsolidierung erfüllen könne. Der Abbau der Staatsschulden sei ebenfalls schwerer vorstellbar, wurde angeführt, zumal sich die Wachstumsaussichten des Landes damals gerade wieder eintrübten. Die hohe Anfälligkeit für externe Risiken ließ Ungarn instabiler erscheinen, als beispielsweise Bulgarien, Rumänien und Kroatien – solche Vergleiche schmerzen in Budapest immer besonders.

Defizitabbau mit deutschem Ehrgeiz

Inwieweit aber sollte Moody´s Recht behalten mit diesen kritischen Erwartungen, die nur wenig später von den übrigen großen Ratingagenturen geteilt wurden? Nun ja, an der Haushaltskonsolidierung zu zweifeln, stellt sich ex post als absoluter Fehlgriff heraus, denn in dieser Hinsicht ließ sich die Orbán-Regierung nicht lumpen: Mitte 2013 musste die EU-Kommission das seit neun (!) Jahren laufende Defizitverfahren einstellen, weil zu jenem Zeitpunkt einzusehen war, dass Ungarn die Erfüllung der Maastricht-Kriterien erstmals seit seinem EU-Beitritt ernst nehmen will.

Dass die Orbán-Regierung den Staatshaushalt 2017 aktuellen Plänen zufolge auf 2,4 Prozent am BIP ins Defizit abgleiten lässt, passt gar nicht in die vorbildliche Budgetpolitik der vergangenen Jahre. Wenn 2018 nicht Parlamentswahlen anstehen würden, bliebe Ministerpräsident Viktor Orbán seinem von Deutschland abgeschauten Ehrgeiz treu. Denn nicht nur einmal erklärte er, mit dem Schuldenmachen müsse endgültig Schluss sein, der Staat könne (wenigstens für seinen Unterhalt) nicht mehr ausgeben, als er einzunehmen imstande ist.

Was die Wachstumsaussichten betrifft, trafen die Ratingagenturen wiederum dem schwächsten Punkt der ungarischen Reformen vollkommen ins Schwarze. Denn 2012 fiel das Land erneut in eine Rezession zurück; die Effekte der kurzen Erholungsphase von 2011 waren sogleich wieder ausgelöscht, man kam sich vor, als wäre die Wirtschaftskrise erst am Vorabend über uns hereingebrochen. (Das war für die Bevölkerung und die Wirtschaftsakteure als Leidtragende des verbockten Kurswechsels deshalb so wenig berauschend, weil es den Anschein hatte, als wäre man drei Jahre auf der Stelle getreten, während die Rahmenbedingungen immer nur schlechter wurden.)

Mit dieser enttäuschenden Konjunkturentwicklung hängt sehr eng zusammen, dass der Abbau der Staatsschulden in der Tat nicht so schnell voranging, wie es ein euphorischer Orbán einst erleben wollte. Ein Prozentpunkt pro Jahr muss nun wirklich niemanden vom Hocker hauen; Schuldenmachen geht halt viel leichter von der Hand, als mit dem enger geschnallten Gürtel zu sparen. Doch Kleinvieh macht auch Mist: Heute hat sich Ungarn von der kritischen Marke 80 Prozent Staatsschulden am BIP so deutlich entfernt und den Kurs so streng gehalten, dass die Anleger der politischen Führung mittlerweile abnehmen, tendenziell auf einem weniger großen Fuß als die sozialistisch-liberalen Vorgänger leben zu wollen.

Gute Nachrichten für die Bürger

Und warum ist Ungarn heute wieder wer, warum dürfen es die internationalen Anleger bald wieder ins Herz schließen? (Die Wagemutigen taten ihre Einsätze in den letzten Jahren natürlich genauso, schließlich geht das höhere Risiko von Anlagen mit höheren Renditen einher.) Für das Wirtschaftsministerium in Budapest liegt der Fall klar: Die ungarischen Reformen funktionieren. „Als wir 2010 an den Umbau der Wirtschaft gingen, sagten wir, dass es zuerst Abwertungen geben wird, bevor die Aufwertungen folgen“, schwelgte Ressortleiter Mihály Varga in Erinnerungen. Der strukturelle Umbau hatte also Erfolg, denn heute gestalten gesündere Prozesse den Staatshaushalt, sinken die Staatsschulden, zeigen die externen Salden ein günstiges Gleichgewicht und verbessert sich die Lage des Bankensektors. Dies seien gute Nachrichten für die Bürger, weil der Staat im Besitz des Investmentgrades weniger für den Schuldendienst aufbringen muss, ergo mehr Geld für Investitionen, Steuersenkungen und Lohnerhöhungen bleibt, fügte Varga hinzu.

Eine verbesserte Bonität lässt die Erträge am Anleihenmarkt fallen. Die daraus erwachsende Ersparnis könnte über 12-18 Monate gerechnet 40-60 Mrd. Forint erreichen, kalkuliert das Wirtschaftsressort. Allerdings konnte sich Varga die Bemerkung nicht verkneifen, worüber wir eigentlich reden, wenn die Erträge für langfristige Staatspapiere schon heute niedriger als jene Polens sind, obgleich Polen doch drei Bonitätsstufen über Ungarn platziert ist. Sobald Schulden erneuert werden, sei jedenfalls relevant, was die Ratingagenturen zu sagen haben, schloss er diesen Gedankengang.

Dass der Forint sonderlich erstarken wird, braucht auch niemand zu „befürchten“. Seit 2014 bewegte sich dessen Notierung weitgehend stabil um 310 Forint zum Euro, mit den massiven Zinsschnitten (seit diesem Dienstag steht der Leitzins auf dem neuen historischen Tief von 0,9 Prozent) hat die Notenbank einen Kurs um 315 salonfähig gemacht. Die Regierung wird alles tun, um die heimische Exportwirtschaft zu stärken, und für die ungarischen KMU kann der Forint ganz offenkundig nicht schwach genug sein.
Konversation

WEITERE AKTUELLE BEITRÄGE
Regierungsbeschlüsse

Ende für Transitzonen

Geschrieben von BZ heute

Am kommenden Dienstag reicht die Regierung jene Vorlage im Parlament ein, mit der sie um die…

Im Gespräch mit Columbo, Frontmann der Band Irie Maffia

Musik in der Quarantänezeit

Geschrieben von Péter Réti

Vor 15 Jahren wurde die ungarische Band Irie Maffia gegründet. Die Budapester Zeitung sprach mit…

Brettspielverleih „Játszóház Projekt”

Lasset die Spiele beginnen!

Geschrieben von Elisabeth Katalin Grabow

Gezwungenermaßen verbringen viele Menschen heute mehr Zeit daheim. Da wird die Suche nach neuen…