Zólyomi sitzt in seinem lichtdurchfluteten Laden. Die Augen sind geschlossen. „Mein erstes wirkliches Parfüm – das war in Versailles, am Institut Supérieur International du Parfum de la Cosmétique et de l’Aromatique”. Die Aufgabe der zwölf Studierenden: den Duft ihres jeweiligen Heimatlands kreieren. Er fährt mit noch immer geschlossenen Augen fort: „Der Duft Ungarns – meines Ungarns. Der Duft eines heißen Sommertags in den Bergen über dem Balaton; die Luft flimmert. Nur die Bienen sind zu hören, die leise von Blume zu Blume brummen. Dort ist ein Lavendelfeld, es ist dürr und duftet nach süßem, trockenem Heu. Das war meine Basis. Ich wollte die Emotion eines heißen ungarischen Sommertags einfangen.”

Auch wenn dieses Parfüm nie kommerziell vermarktet wurde – begehrt war es trotzdem, denn nicht nur seine Dozenten schätzten den Duft. Doch Zólyomi ist bescheiden geblieben.

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Zsolt Zólyomi ist der einzige Parfümeur Ungarns. (BZT-Fotos: Nóra Halász)

Er wusste schon als Kind, dass er etwas anders ist, denn seine Leidenschaften waren weder Fußballspielen noch Musik oder Mathematik: Er roch. Er roch an den Statuen im Museum und sog die verschiedenen Gerüche der Budapester Straßen ein. „Ich besuchte oft eine Kirchenanlage. Sie übte eine große Faszination auf mich aus. Wenn ich durch das Tor in den Garten trat, auf den Friedhof und dann in die Kirche – der Geruch veränderte sich und es war so, als ob ich in Jahrhunderten zurückging.”

Wie er die Nase Ungarns wurde

Zsolt wusste schon lange, dass er eine Gabe für Gerüche hatte. Doch als er die Entscheidung traf, Parfümeur zu werden, gab es keine entsprechende Schule in Ungarn – und gibt es bis heute nicht. „Der Parfümmarkt war abgestumpft wie vieles andere auch. Durch den Kommunismus musste Ungarn einiges an Kreativität einbüßen. Es gab eine bestimmte Art, sich zu waschen, eine Art, sich einzukleiden und eine Art, gut zu riechen”, so Zólyomi. Er wurde auf der langen Suche nach einer Schule im französischen Versailles fündig. „Sie haben erkannt, dass es eine Institution für diese große Kosmetikindustrie geben muss. Doch ist die ISIPCA wie ein britischer Klub: Kaum jemand wird reingelassen, und wenn, muss er gewissen Vorstellungen entsprechen”, sagt er lachend. „Hinzu kommt, dass es nur zwölf Plätze in einer Klasse gibt. Die Welt des Parfüms ist etwas eigen, man lässt eher ungern unbekannte Gesichter rein – und in Versailles besonders ungern die, die nicht aus Frankreich kommen.”

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Vor der Akademie absolvierte der Parfümeur universitäre Abschlüsse in Pflanzenbiologie, Wirtschaft und Biologielehre. Dazu kommt noch eine Ausbildung als Pálinka-Experte. Nachweisbare Erfahrungen für Versailles konnte er so allerdings nicht nachweisen. „Für die Bewerbung musste man unter anderem einen Erfahrungsbericht abgeben – meiner sah aber eher etwas dünn aus. Neben meiner Arbeit in verschiedenen Firmen für ätherische Öle vor allem: Die Industrie in Ungarn schläft – und ich möchte unbedingt auf diese Schule. Mehr konnte ich auch nicht bieten”, erzählt Zólyomi. Fünfmal musste er sich bewerben, bis er einen der hart umkämpften Plätze bekam. „Das ist jetzt elf Jahre her, da war ich 35. Viele meiner Mitschüler kamen aus traditionellen Parfümeur-Familien und kannten die Welt der Luxuskosmetik schon von klein auf. Am Anfang verstanden viele nicht, was ein Ungar in dieser Klasse macht.” Doch brachte der junge Budapester neue Blickwinkel mit – und natürlich die Referenz, aus dem Land des Königin-Elisabeth-Rezepts zu kommen.

Flexibel mit Düften

„Als Parfümeur habe ich ein sehr angenehmes Arbeitsumfeld. Es ist so speziell, dass mir Auftraggeber normalerweise nicht in mein Kunsthandwerk reinreden. Doch manchmal, gerade, wenn ich für kommerzielle Labels arbeite, kommt es dann doch vor.“ Sätze wie: „Ja, das riecht gut, aber meine Lieblingsblume ist Magnolie – die rieche ich im Parfüm nicht“, seien dann keine Seltenheit, berichtet der international arbeitende Parfümeur. Denn obwohl er in Budapest zu Hause ist, scheint er in der ganzen Welt zu leben. So kommt es, dass Zólyomi kein festes Parfümlabor hat. Für ihn aber kein Problem, denn in vielen Städten gibt es buchbare Räumlichkeiten für reisende Parfümeure.

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Ein Parfüm kreieren bedeutet vor allem: feinste Nuancen beachten. „Es geht um mehrere hundert Rohmaterialien, die in einem bestimmten Konzentrationsverhältnis verwendet werden. Wenn das fertige Parfüm auf die Haut gesprüht wird, so verpufft zuerst der Alkohol als Bindematerial und dann nach und nach alle anderen Inhaltsstoffe bis hin zur Basis.“ In jeder dieser Lebensphasen eines Parfüms muss es aber auf der Haut gut riechen – für solch ein hochwertiges Parfüm braucht es dann schon mindestens ein halbes Jahr. Entscheidend ist: die Düfte riechen auf jeder Haut etwas anders. „Jeder kleinste Inhaltsstoff ändert den Charakter des Parfüms, auch wenn er nicht im Vordergrund des Dufts stehen muss. Wieder können sich andere Düfte zu einem neuen verbinden und eine Assoziation einer Note hervorrufen, obwohl sie gar nicht vorhanden ist“, sagt Zólyomi.

Ihm geht es bei seiner Arbeit auch um stetige Weiterentwicklung – und um Gefühle. „Mit meiner Kunst schaffe ich Gerüche, die Emotionen hervorrufen: Ich kann berühren, ohne anwesend zu sein. Niemand vergisst den Duft seiner Jugend, seines ersten Partners, der Großmutter oder der verhassten Tante. Gerüche sind nichts anderes als emotionale Gemälde der Erinnerung.”

Kunst vor Geld

Dass sich Zólyomi mit seiner Arbeit in einem exklusiven Kreis bewegt, weiß er auch. „Als Parfümeur bin ich in einem sehr gefragten Arbeitsfeld tätig – nicht viele dürfen die speziellen Wünsche ihrer Kunden so bedienen wie ich. Es macht mich froh, sagen zu können, dass ich den Luxus habe, auch Kollegen einen Auftrag zu überlassen, wenn ich der Überzeugung bin, dass sie ihn vielleicht besser erfüllen können als ich”, erläutert Zólyomi.

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In seinem Showroom verkauft Zólyomi ausschließlich hochwertige Düfte.

Parfümeure der alten Schule gibt es laut Zólyomi nur noch wenige. Warum sich dann nicht auf das Wesentliche konzentrieren? „Es lohnt sich doch kaum, einen sinnlosen Konkurrenzkampf zu führen. Wir sollten uns nicht von dem Millionengeschäft blenden lassen, sondern den Beruf der Kunst wegen auszuführen.“

In dem Laden des ungarischen Parfümeurs sind keine kommerziellen Marken vertreten. Der Künstler verkauft ausschließlich “kreative Marken” – Kreationen seiner unmittelbaren Kollegen und natürlich von ihm selbst. Erfahrung in kommerziellen Aufträgen hat er aber selbstverständlich auch. „Im Rahmen einer Werbekampagne für einen alkoholischen Drink in Budapest habe ich einen Duft entwickelt, der Gäste am Flughafen direkt nach der Ankunft mit einer bestimmten Duftwolke umgab. Im Anschluss konnten sie dann eben diesen Geruch in den besuchten Veranstaltungsräumen wiederfinden. Dabei ging es um die Verbindung des Dufts mit den Orten und dem angebotenem Getränk“, so Zólyomi.

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